Verfassungsrichter untersagen dritte Amtszeit. | Ex-Minister Santos will Uribe ablösen. | Bogota. Es war ein Paukenschlag, den kaum jemand erwartet hatte: Das kolumbianische Verfassungsgericht untersagte Kolumbiens Staatschef eine neuerliche Kandidatur wegen Verfassungswidrigkeit. Die Frage, ob Alvaro Uribe bei dem Urnengang am 30. Mai antreten und - daran zweifelte kaum jemand - zum dritten Mal in Folge das Präsidentenamt gewinnen würde, beschäftigte die kolumbianische Öffentlichkeit seit langem.
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Das Urteil vom Freitag hatte zwei Jahre der Ungewissheit und der politischen Spannungen beendet. Die politische Landschaft wurde dadurch völlig durcheinander gewirbelt. Uribe selbst erklärte in einer ersten Stellungnahme, er werde sich an das Urteil halten. Verfassungsgerichts-Vorsitzender Mauricio González, vorher selbst Rechtsberater des Präsidenten, argumentierte die Ablehnung damit, dass es sich in der Vorbereitung der für die Wiederwahl notwendigen Verfassungsreform "nicht bloß um Unregelmäßigkeiten, sondern um substantielle Verletzungen der demokratischen Prinzipien" handelte.
Nachdem der seit 2002 amtierende rechts-autoritäre Präsident nun weder heuer noch bei späteren Wahlen kandidieren kann, ist das Rennen um seine Nachfolge voll angelaufen. Der aussichtsreichste Kandidat aus dem Regierungslager ist der ehemalige Verteidigungsminister Juan Manuel Santos, Sprössling einer der einflussreichsten Familien des Landes, die unter anderem die größte Tageszeitung besitzt. Seine Chancen hängen jedoch wesentlich davon ab, ob es ihm gelingt, alle Uribe-Parteien - es gibt deren etwa ein halbes Dutzend - geschlossen hinter sich zu vereinen. Denn auch andere Politiker aus Uribes Umgebung trachten danach, die Nachfolge des populären Staatschefs anzutreten. Uribe, dem noch fünf Monate Amtszeit verbleiben, hat sich noch nicht klar ausgesprochen, wen er am liebsten als seinen Nachfolger im Präsidentenpalast sehen würde. Neben den Kandidaten aus dem Uribe-Lager gibt es sechs weitere aussichtsreiche Bewerber aus anderen Parteien, etwa Rafael Pardo von den Liberalen, Gustavo Petro von der einzigen Linkspartei "Demokratischer Pol" und drei ehemalige Bürgermeister der größten Städte Bogotá und Medellín, die als unabhängige Kandidaten auftreten. Den Ausgang der Präsidentschaftswahlen Ende Mai wird vor allem die Frage beantworten, ob die Uribe-Parteien geeinigt auftreten und ob es der Opposition gelingt, ein breites Anti-Uribe-Bündnis aufzustellen.
Bereits am 14. März werden die Kongresswahlen stattfinden, d.h. die Wahlen zum Repräsentantenhaus und Senat. Dabei wird sich zeigen, ob die "Para-Politik" - die Verbindung von Politikern aus dem Umfeld Uribes mit den kriminellen Todesschwadronen der Paramilitärs - weiterhin ihre starke Präsenz im kolumbianischen Parlament aufrechterhalten kann. Das Ergebnis dieses Urnengangs wird auch eine Antwort darauf geben, inwieweit der "Uribismus", das politische Konstrukt des Langzeitpräsidenten, auch nach seinem Abgang überleben wird.
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Werner Hörtner ist Autor des Buches "Kolumbien verstehen: Geschichte und Gegegnwart eines zerissenen Landes.