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"Der Zuschuss war plötzlich weg"

Von Ina Weber

Politik

Sozialexperte Mazal: Vorgehensweise "rechtswidrig". | Großteil hat Abschlags-Angebot angenommen. | Wien. Der ÖGB, der immer hinter den Pensionisten gestanden ist, richtet sich nun gegen sie. Zumindest sieht das Helga Seeliger so. Die studierte Juristin war 25 Jahre lang Zentralbetriebsrätin in der GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst). Sie ist eine der rund 80 ÖGB-Pensionisten, die sich gegen die angebotenen Abfindungszahlungen in der Höhe von zwei bis acht Pensions-Jahresbezügen wehren und überlegen, den Gewerkschaftsbund zu klagen. Denn für sie ist die jetzige Situation "menschenunwürdig". "Wir sind grundsätzlich zu einem solidarischen Verzicht bereit. Aber, dass sie uns gleich 70 Prozent streichen, ist eine Zumutung", berichtete Seeliger der "Wiener Zeitung".


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Zur Sanierung der Finanzen hatte der ÖGB die Streichung der Betriebspensionen für seine Pensionisten beschlossen. Bisher bekamen frühere ÖGB-Mitarbeiter Pensionszuschläge auf bis zu 80 Prozent des Letzteinkommens. Der ÖGB bot eine Abfindung an, die etwa 30 Prozent des ursprünglichen Anspruches ausmacht. Der Zuschuss zu den normalen ASVG-Pensionen beträgt im Durchschnitt 600 Euro pro Monat pro Pensionist. Die Gewerkschaft setzte zuletzt eine Frist zur Unterfertigung der Abfindung bis 28. Februar.

Mehr als 1000 der 1260 Betroffenen haben bereits unterschrieben. "Wer nicht einwilligt, geht leer aus - und bekommt ab März auch keine Zuschläge mehr", hieß es. Ein hartnäckiges Grüppchen unterschrieb nicht und der ÖGB verlängerte die Frist bis 31. März. Bis dahin sollten dann alle unterschrieben haben, hieß es aus dem Büro des Leitenden Finanzsekretärs Clemens Schneider. Es sei eine "schwierige Entscheidung" gewesen in die Pensionen einzugreifen und "sehr bedauerlich". Aber es sei eben kein Geld da. "Der ÖGB nimmt dafür 60 Millionen Euro in die Hand", sagte Schneiders Sprecherin.

"Uns wurde das Messer an die Brust gesetzt"

Die Gruppe rund um Seeliger fordert nun höhere Abfindungszahlungen und einen "humaneren Umgang". "Der ÖGB hat uns das Messer an die Brust gesetzt. Wer nicht einwilligt, geht leer aus. Der Zuschuss war plötzlich weg", sagte Seeliger, die keine Vereinbarung mit dem ÖGB unterschrieben hat. Wie enttäuscht sie vom ÖGB ist, könne sie gar nicht sagen. Was sie am meisten schockiert ist, wie mit Schicksalen umgegangen würde. Eine betroffene Bekannte lebe seit 2000 in einem privaten Pensionistenheim, das sie sich mit ihrer 1444 Euro-Pension gerade einmal leisten konnte. Jetzt falle ihre Pension auf 1100 Euro hinunter und sie müsste nun in ein anderes Heim ziehen.

Unterstützung erhalten die Pensionisten vom Sozial- und Arbeitsrechtsexperten Wolfgang Mazal. Er bezeichnet die Vorgehensweise des ÖGB als "rechtswidrig". Betriebspensionen dürften laut Gesetz nicht einfach eingestellt, sondern nur eingeschränkt oder ausgesetzt werden. Außerdem sind laut Pensionszuschussordnung die Zuschüsse "nach Maßgabe der vorhandenen Mittel" zu gewähren. "Dass keine Mittel vorhanden sind, ist unwahrscheinlich", meinte Mazal. Spätestens mit dem Bawag-Closing am 30. April - dann sollte der ÖGB durch den Verkauf seiner Hausbank liquid sein - müsste wieder Geld da sein.

Der Erlös der Bawag reiche gerade einmal zur Abdeckung der Schulden, konterte Schneiders Sprecherin. "Das bisschen, das übrig bleibt, reicht nicht für die kommenden Jahre." Die immer wieder erwähnten 370 Millionen Euro Wertpapiere, die dem ÖGB zugerechnet werden, seien in den USA veranlagt. Auf das Geld könne nicht zurückgegriffen werden. Auch die Rücklagen, die der ÖGB mit einer dreijährigen Übergangsfrist seit 2005 bilden musste, würden nicht reichen. Dafür sei die Zeit zu knapp gewesen.

Mazal, der sich im Gegensatz zum ÖGB in den letzten Jahren für eine Pensionsreform eingesetzt hat, stellt sich nun auf die Seite der Pensionisten. "Ich bin für vernünftige Reformen, da die Aktiven nicht übergebührlich belastet werden sollten. Allerdings wurde meiner Ansicht nach nie in laufende Pensionen eingegriffen, wie das hier der Fall ist." Und es sei rechtlich nicht möglich, den Pensionisten eine Frist zu setzen, ohne dass es eine Pensionsvereinbarung mit den Aktiven gibt.