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Der zweite Frühling im steirischen Rust-Belt

Von Bernd Vasari

Wirtschaft
"Stahl Judenburg" wurde vom Pleiteunternehmen zum Weltmarktführer.
© Viktor Mácha

Arbeiteraufstände, Massenentlassungen, Abwanderungen. In den 80er und 90er Jahren ist die Stahl- und Bergbau-Hochburg Mur-Mürz-Furche zu einer bemitleidenswerten Region abgesunken. Ein Lokalaugenschein 30 Jahre danach.


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Eisenerz, Judenburg, Bruck an der Mur. Region Mur-Mürz-Furche. Sinnbild für die Schattenseiten Österreichs, Blaupause für die abgehängten Gegenden der Alpenrepublik mit alternder Gesellschaft, sterbenden Städten, und ohne Perspektive. Weit weg von den mit Pulverschnee bedeckten Skigebieten, den Genussregionen mit sanften Weinhügeln, der glitzernden Millionenmetropole Wien. Einst der Wirtschaftsmotor der Republik mit seinen stolzen Stahl- und Bergbaubetrieben ist die obersteirische Region heute Österreichs unliebsames Stiefkind. Doch wieviel von dem schlechten Ruf ist tatsächlich Wirklichkeit?

Eisenerz, ein Name aus Schweiß und Knochenarbeit. Knapp 4000 Menschen leben in dem Dorf, das einmal eine Stadt mit knapp 13.000 Einwohnern war. 40 Prozent der heutigen Bewohner sind über 65 Jahre alt, in keinem anderen Ort in Österreich ist dieser Wert höher. Die dicht aneinander gereihten Arbeitersiedlungen sind zum größten Teil nicht bewohnt, von drei Tankstellen ist nur noch eine geöffnet. An der Ortsausfahrt befindet sich eine Fabrikshalle. Seit mehr als zehn Jahren steht sie still. Das Werk produzierte Windschutzscheiben für Autohersteller. Als es 2008 schloss, war es der zweitgrößte Betrieb in Eisenerz.

Auch der größte Betrieb hat schon bessere Zeiten erlebt. Rot-bräunlich schimmern die 24 terrassenartigen Stufen des pyramidenförmigen Erzbergs, der sich wie ein stummer Wächter über dem Ort erhebt. Seit 1300 Jahren bestimmt sein Puls das Leben der Einwohner. Der Abbau des Eisenerzes bescherte der Region Reichtum, Stolz und Ansehen, aber auch Abhängigkeit, Verlust und Depression. Besteht nun wieder Hoffnung?

4000 Menschen arbeiteten in den 70er Jahren auf Mitteleuropas größtem Eisenerz-Tagbau. Heute sind es nur noch 230. Ein Bruchteil von damals, und doch ein Erfolg. "Die Politik stellte die Sinnfrage", sagt VA-Erzberg-Geschäftsführer Christian Treml. "Die Schließung war vorbereitet, 2002/03 sollte es soweit sein."

Treml, blaues Hemd, offenes, dunkelgraues Sakko, setzt sich einen knallgelben Bauhelm auf. "Kommen Sie mit, wir fahren eine Runde." Mit einem Geländewagen geht es bergauf. Auf einem Aussichtspunkt bleibt er stehen. Er breitet die Arme aus, als wolle er den Berg umarmen. Treml deutet auf die dritte Etage. Ein Kranbohrgerät bearbeitet den steinigen Boden. Ein Lkw steht bereit, er wird das Erz abtransportieren. "Früher war hier bedeutend mehr los", sagt Treml, der seit 12 Jahren auf dem Erzberg arbeitet. "Das war aber vor meiner Zeit."

"Der Berg rentierte sich nicht mehr"

Einer Zeit, in der der Erzberg in die ÖAMG (Österreichisch-Alpine-Montangesellschaft) eingegliedert war. Die ÖAMG war ein bürokratisch aufgeblasener staatlicher Konzern, mit reichlich Versorgungsposten für altgediente Funktionäre. Die Personalkosten wuchsen, bis sie die Einnahmen aus dem Erzberg übertrafen. Zudem fielen die Eisenerz-Preise in den Keller. "Der Berg rentierte sich nicht mehr", sagt Treml. Das hatte schwerwiegende Konsequenzen. Tausende Mitarbeiter wurden abgebaut, in den 80er und 90er Jahren gab es einen Aufnahmestopp. Die Menschen fanden in Eisenerz keinen Job mehr, verließen scharenweise den Ort.

Am wichtigsten Feiertag der Bergleute, der Barbarafeier im Dezember, wischten die Generaldirektoren jede Hoffnung vom Tisch, erklärten, dass die goldenen Zeiten vorbei seien. Zwanzig Jahre lang währte der Niedergang. "Ein schmerzhafter, traumatisierender Prozess für die Bergleute", sagt Treml. Der stolze Bergarbeiter wurde auf einmal nicht mehr gebraucht, wurde in Frühpension geschickt oder entlassen. "Das hat sie schwer getroffen. Für viele war der Lebensinhalt weg", sagt Treml. Kurz vor der geplanten Schließung waren noch 150 Menschen am Erzberg beschäftigt.

Doch dann wendete sich das Blatt. China begann Stahlwerke zu bauen, kaufte Eisenerz in großen Mengen auf dem internationalen Markt. "Die Volksrepublik erhöhte seine Stahlkapazität von jährlich 80 Millionen auf jährlich 600 Millionen Tonnen", sagt Treml. Das Eisenerzbarometer schnellte in die Höhe, die Schließungspläne des Erzbergs wurden verworfen. Seither geht es wieder aufwärts. Bis heute.

Das Unternehmen steht auf gesunden Beinen. Nach wie vor beliefert es die beiden Werke der Voest Alpine in Linz und Donawitz. Durch die wachsenden Exporte des börsennotierten Stahlkonzerns steigen auch die Produktionsmengen auf dem Erzberg. Wurden vor zehn Jahren noch jährlich zwei Millionen Tonnen abgebaut, sind es heute bereits jährlich drei Millionen Tonnen. Eigentümerin der Betreiberin VA Erzberg GmbH ist seit 2004 die Erzberg Privatstiftung. Die Stiftung sieht Nutzungsrechte für die Voest bis zum Ende des möglichen Erzabbaus vor. Auch die Nachnutzung steht fest. Nach Einstellung des Bergbaus geht der Berg an das Land Steiermark.

Ist also ein Ende in Sicht? 100 Millionen Tonnen können noch abgebaut werden, schätzt Treml. Noch 30, 40 Jahre. Der Geschäftsführer nimmt es gelassen. "Es ist ganz normal, dass ein Bergbau endlich ist." Für gewöhnlich liegt die Lebensdauer einer Mine bei 15 Jahren. "Da sind wir mit 1300 Jahren gut dabei", sagt er und lächelt. Seine gute Laune hat zwei Gründe.

"Ich zeige Ihnen etwas", sagt Treml. Mit dem Geländewagen fährt er auf Etage 16. Zwei Röhren ragen dort aus dem Berg, beide Tunnel sind 400 Meter lang. "Der Lotto Sechser für Eisenerz", erklärt der Geschäftsführer. Die beiden Tunnel errichtet die Montanuniversität, in ein paar Wochen soll das Tunnelforschungszentrum fertig sein. Brandsimulationen, Material- und Sprengtests. "Ein Forschungszentrum internationalen Zuschnitts, das über den Erzabbau hinausgehen wird", sagt Treml. Das EU-Projekt "Ricas 2020" kündigte an, in den Tunneln unterirdische Technologien zu entwickeln, mit denen die Speicherung von großen Mengen "grüner" Energie möglich werden soll.

50.000 Touristen jährlich

Glücklich ist Treml auch über die Besucherzahlen. 50.000 Touristen werden jährlich durch den Erzberg geführt. Tendenz steigend.

Auch abseits des Erzbergs gibt es im Ort positive Entwicklungen. So wurde die Kaderschmiede für den nordischen Sport in Österreich, das Nordische Ausbildungszentrum, auf den neuesten Stand gebracht. Neben Langlauf-Loipen, Biathlon-Schießstände und einem neuen Campus wurden vor zwei Jahren vier neue Sprungschanzen eröffnet.

Ein wichtiger Betrieb in Eisenerz ist weiters eines der international führenden Musiklabel der Rock- und Metalszene. 15 Millionen Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaftet Napalm Records, das neben Eisenerz auch Standorte in Berlin und New York City hat.

375 Betriebe gibt es im Ort. An dieser Zahl hat sich in den vergangenen Jahren wenig verändert, im Gegensatz zu den Nachbarorten, wo die Betriebsansiedelungen steigen. "Man könnte jetzt wieder alles Schlechtreden", sagt Treml. Über den Leerstand sagt er: "Der Ort ist halt ein bisschen überdimensioniert." Wichtiger sind für ihn die positiven Entwicklungen. "Eisenerz ist nicht mehr das Tal der Tränen."

Die Krise der Eisen- und Stahlindustrie traf auch eine der ältesten Handelsstädte der Welt, Judenburg. So wie der Erzberg in Eisenerz prägten die staatlichen "Steirischen Gußstahlwerke" über Jahrzehnte den Ort. Anfang der 70er Jahre arbeiteten 2200 Menschen in dem Unternehmen, knapp ein Fünftel der 12.000 Einwohner. Das mittlerweile privatisierte Stahlwerk mit dem Namen "Stahl Judenburg" hat heute nur noch 450 Mitarbeiter, die Stadt zählt seit vergangenem Jahr weniger als 10.000 Einwohner.

"Es ging nach dem Krieg immer nur bergauf", erinnert sich Werner Steinwidder. "Die Arbeiter machten Überstunden, verdienten gutes Geld, waren angesehen." Bis zur Ölpreiskrise 1973/74, als die arabischen Staaten die Fördermenge drosselten, um den Westen politisch unter Druck zu setzen, damit sie ihre Unterstützung für Israel aufgaben. Der Ölpreis stieg augenblicklich um 70 Prozent. Es folgte eine Weltwirtschaftskrise mit Entlassungen, Inflation, Unsicherheit bei Investoren.

Damit war auch der Aufschwung in Judenburg vorbei. Die Auftragslage der Gußstahlwerke brach auf der Stelle ein.

Steinwidder, kerniger Dialekt, kräftige Hände, grauer Drei-Tage-Bart, war damals dabei. 47 Jahre lang arbeitete er in dem Stahlwerk, 1972 begann er als 15-Jähriger eine Lehre als Maschinenschlosser. "Die Gehälter konnten auf einmal nicht mehr gezahlt werden, die Arbeiter wurden erstmals mit Kurzarbeit konfrontiert, mussten weitergebildet oder umgeschult werden. Sie standen unter Schock", sagt er. Die Stimmung im Werk war aufgeheizt. "Bei der Betriebsversammlung gab es Zwischenrufe. Das war neu. Die wirtschaftliche Ausrichtung des Betriebs wurde lautstark hinterfragt."

Nach der Wirtschaftskrise gab es einen Zwischenaufschwung. "Es war aber klar, dass ein Gesamtkonzept für die Stahlindustrie Österreichs erarbeitet werden musste, um einer nächsten Krise zu trotzen und um wettbewerbsfähig zu werden", erklärt Steinwidder. Die Reform bestand darin, die als Tochtergesellschaften der Voest-Alpine geführten drei Edelstahlbetriebe zu fusionieren, Arbeitsplätze abzubauen. Der Standort Judenburg sollte dabei geschlossen werden.

Sobald die Pläne bekannt wurden, kam es zum Aufstand. 10.000 Einwohner marschierten vom Stahlwerk zum Hauptplatz, die Stahlarbeiter drohten mit drei Sonderzügen nach Wien zu fahren und in der Bundeshauptstadt aufzumarschieren.

Bruno Kreisky musste reagieren

Steinwidder war für die Bestellung der Züge zuständig. "Unsere Betriebsratskassen waren voll, wir konnten uns das leisten", erinnert er sich. Bundeskanzler Bruno Kreisky musste reagieren, lud die Vertreter des Stahlwerks und beorderte alle verantwortlichen Vorstände und Minister zu sich. "Wir haben ihn an den Verhandlungstisch gezwungen", sagt Steinwidder.

Neben Wortführer Horst Skvarca und drei Betriebsräten saß auch Steinwidder als Jugendbetriebsrat im Auto in Richtung Kanzleramt. "Wir fuhren mit breiter Brust nach Wien", sagt Steinwidder. "Wir wollten uns das einfach nicht gefallen lassen."

Die Mission war nicht ohne Risiko. Skvarca gefährdete seine Existenz, weil er sich gegen die eigene Partei auflehnte. Ihm wurde mit Entlassung gedroht. Aber auch die eigenen Kollegen erwarteten ein gutes Ergebnis von den Verhandlungen. "Die hätten uns sonst die Scheiben eingeschlagen", sagt Steinwidder.

Nach der Niederlage bei der Abstimmung um das Atomkraftwerk Zwentendorf drei Jahre zuvor bekam Kreiskys schimmernde Politikerfassade erste Risse. Einen Stahlarbeiteraufstand konnte er sich im Jahr 1981 schon gar nicht leisten. Er musste also handeln.

Kreisky konzentrierte sich auf den Jüngsten in der Runde, Werner Steinwidder. Er setzte sich neben den 24-Jährigen, fragte, was er tun könnte. "Ich habe Kreisky gesagt, dass wir den Neubau einer Lehrwerkstätte fordern, um den Standort abzusichern." Außerdem sollte das Walzwerk, Herz des Stahlbetriebs, der Federnbetrieb und der Blankstahlbetrieb in Judenburg bleiben. Kreisky willigte ein. Eine vollständige Schließung wurde verhindert. Das Hammer- und das Stahlwerk wurde jedoch geschlossen, hunderte Arbeitsplätze abgebaut.

"Wir waren ein profitables Unternehmen", sagt Steinwidder. "Wir wurden aber strategisch zugunsten anderer Standorte wie Kapfenberg geopfert." Kapfenberg hatte mehr Macht in der damaligen SPÖ. Die Stadt zeigte sich dankbar, Kreisky wurde bald darauf Ehrenbürger.

"Keiner kannte uns"

In Judenburg kämpfte man hingegen ums Überleben. "Kollegen haben geweint, weil sie keine Zukunft gesehen haben. Sie waren oft auch die Alleinerhalter der Familie", sagt Steinwidder. Doch sie hielten zusammen, verzichteten auf zehn Prozent ihres Lohns, machten Überstunden, spezialisierten sich auf Blankstahl, um auf dem internationalen Markt zu bestehen. Steinwidder entwickelte hart verchromte Kolbenstangen und damit ein neues Produktfeld. Später wurde er Vertriebsleiter, um das Unternehmen, das nun "Stahl Judenburg" hieß, bekannt zu machen. "Keiner kannte uns. Wir fuhren von Firma zu Firma, waren auf unzähligen Messen, konnten aber persönlich Kunden gewinnen."

1995 wurde "Stahl Judenburg" privatisiert und vom deutschen Konzern Georgsmarienhütte GmbH gekauft. Die Auftragslage ist seither gestiegen.

Judenburg kämpft heute wie Eisenerz mit Abwanderung und Überalterung. Zuletzt verlor die Gemeinde auch stark an Kaufkraft, nachdem der Nachbarort Fohnsdorf den Gewerbepark "Arena" mit 82 Geschäften errichtete.

Der Jobabbau in den Unternehmen gehört jedoch der Vergangenheit an. Dafür sorgen vor allem die drei größten Betriebe in Judenburg "Stahl Judenburg", "Wuppermann Stahl GmbH", "Hendrickson Austria", allesamt Stahlunternehmen, die in ihren Bereichen zu den Weltmarktführern gehören.

"Es werden in der Mur-Mürz-Furche nun Produkte erzeugt, die markfähig sind, das war bei der alten verstaatlichten Industrie nicht mehr der Fall", sagt Michael Steiner, Grazer Uni-Professor für Volkswirtschaft, Experte für steirische Regionalökonomie. Es gebe zwar auch in Zukunft Abwanderung in der Region, prognostiziert werden bis 2030 minus 5,1 Prozent in der östlichen Obersteiermark, minus 6,0 Prozent im westlichen Teil, steiermarkweit minus 2,2 Prozent.

Das Einkommen ist jedoch überdurchschnittlich. So liegt das monatliche Bruttomedianeinkommen in der östlichen Obersteiermark bei 2864 Euro, im westlichen Teil bei 2526 Euro. In der gesamten Steiermark sind es hingegen 2533 Euro. Auch bei der Arbeitslosenquoten liegt die Region sehr gut. 6,4 Prozent in der östlichen Obersteiermark, 5,0 Prozent im westlichen Teil. Steiermarkweit sind es 6,4 Prozent.

Auch die Nächtigungszahlen sind gestiegen, zwischen 2014 und 2018 jährlich um 11,1 Prozent, landesweit um 3,4 Prozent. Der Grund liegt vor allem in der Eröffnung des RedBull-Rings in Spielberg vor acht Jahren. 100.000 Besucher kommen allein zum Formel-1-Rennen, mehrere tausend Besucher zu weiteren Veranstaltungen auf dem Ring. Zudem hat sich der Mürztaler RedBull-Chef Dietrich Mateschitz sehr stark in die Region eingebracht. "Er hat viel in die Region investiert", sagt Steiner, "renovierte Hotels und Restaurants, gab den Bewohnern Geld, damit sie ihrem Haus einen neuen Anstrich verpassen." Die Menschen haben dadurch wieder ihr Selbstvertrauen zurückbekommen, sagt Steiner. "Nach dem Motto: Wir sind wieder wer."

Zusammenarbeit statt Konkurrenz

Wesentlich für die Trendwende der Region war für Steiner aber die Cluster-Politik, die vom Land Steiermark finanziell gefördert wurde. Dabei kooperieren kleine und mittelgroße Betriebe, produzieren zusammen für einen größeren Abnehmer in der Region. Spezialisten der Betriebe tauschen ihr Wissen aus, entwickeln gemeinsame Konzepte.

Zusammenarbeit statt Konkurrenz, ein Konzept, das auch das Wirtschaftsnetzwerk "Kraft. Das Murtal" verinnerlicht hat. Rund 90 führende Betriebe sind seit 2009 involviert. Sie versuchen mit unterschiedlichen Maßnahmen ihr Image zu verbessern, versuchen junge Menschen zum Bleiben zu bewegen. Schulklassen werden in Betriebe eingeladen, Lehrer unterrichten regionale Wirtschaft, Karrieremöglichkeiten werden besprochen. Mit der Initiative versuchen die Betriebe auch dem in der Region vorhandenen Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.

Ein Betrieb, der bei der Anwerbung von Mitarbeitern sehr erfolgreich ist, befindet sich in Bruck an der Mur. 400.000 Tonnen Papier pro Jahr erzeugt die 1881 gegründete Fabrik, die 410 Mitarbeiter beschäftigt. 72 Millionen Euro wurden vor kurzem in den Standort investiert, der vor 23 Jahren vom norwegischen Papierhersteller Norske Skog übernommen wurde.

"Wir spüren den Arbeitermangel in der Region, es ist schwierig Mitarbeiter zu gewinnen", sagt Gert Pfleger, verantwortlich für Personal und Geschäftsentwicklung. "Unsere Situation hat sich aber verbessert."

Norske Skog rollt Mitarbeitern den roten Teppich aus. Das fängt bei den Lehrlingen an, die mit ihren Ausbildnern gemeinsame Ausflüge machen. "Zuletzt waren sie vier Tage in Bratislava. Auf Kosten der Firma", sagt Pfleger. Jeden zweiten Freitag gibt es sportliche Aktivitäten in der Dienstzeit. In gesponserten Sportanzügen trainieren sie mit lizensierten Trainern, spielen Fußball und Federball, praktizieren Nordic Walking. Einzige Bedingung: Jeder muss mitmachen.

Für alle Mitarbeiter wird eine breite Palette an Aktivitäten angeboten. "Von der Muttermaluntersuchung durch die Hausärztin bis zur Rückengymnastik", sagt Pfleger. Eine Werksküche bietet täglich ein 3-gängiges Menü nach Ernährungsplan unter dem Selbstkostenpreis an. "Für uns ist Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von körperlichen Krankheiten", sagt Pfleger.

Jedes Quartal gibt es zudem Informationstreffen für Mitarbeiter, wo Einblicke in aktuelle Projekte und die wirtschaftliche Situation des Unternehmens offengelegt werden. Auch flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, alternative Tätigkeiten werden von Norske Skog angeboten. "Die Arbeit muss erledigt werden, es ist aber egal, zu welcher Stunde", sagt Pfleger.

Der Vertrauensvorschuss des Unternehmens wird gut angenommen. "Die Mitarbeiter nutzen das System im Regelfall nicht aus." Ein Modell, um die Jungen in der Region zu halten?

Der Verkauf des Industriedenkmals Erzberg, die Streiks von tausenden Stahlarbeitern, sie haben die Wahrnehmung der Österreicher über die obersteirische Region bisher geprägt. Doch das Bild des Niedergangs ist nicht mehr stimmig.

"Die Veränderung der Betriebe ist gelungen", erklärt Steiner. "Sie sind offen für den Weltmarkt, offen für Qualität, die Mur-Mürz-Furche ist eine Qualitätsregion geworden." Auch, wenn die Abwanderung wie ein grauer Schatten über der Region liegt.