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Der zwiespältige Umgang mit der Türkei

Von Martyna Czarnowska

Wirtschaft

Die schwache Weltwirtschaftslage und innenpolitische Probleme überschatten das türkische Wachstum. Es hänge alles an der Wirtschaft. Oguz hat diesen Satz nicht nur irgendwo gelesen. Er glaubt fest daran. Der 30-Jährige ist vor mehr als zehn Jahren wegen Studium und Arbeit aus Trabzon im Norden der Türkei nach Istanbul gezogen. Doch seinen Beruf als Ingenieur übt er nicht aus; er arbeitet in der Kredit-Abteilung einer Bank.


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"Wenn die Leute genug Geld für ihre Arbeit bekommen, können sie es sich leisten, ins Kino zu gehen oder ein Buch zu kaufen", sagt Oguz. "Erst dann können sie europäischer werden, offen für andere Ideen und Kulturen." Dann interessieren sie sich nicht für fanatische Ideologien sondern für ihren Job. So sei eine wachsende Wirtschaft auch der Schlüssel für die Demokratisierung der Türkei.

Fünf Jahre lang gab es gute Anzeichen dafür. Zwischen 2002 und 2006 pendelten die Wachstumsraten zwischen knapp sechs und zehn Prozent; die ausländischen Direktinvestitionen erreichten den Rekordwert von rund 20 Milliarden Dollar. Doch 2007 ging das Wachstum auf etwas mehr als vier Prozent zurück. Und laut der türkischen Kapitalmarktaufsicht zogen ausländische Investoren in den ersten drei Monaten des Jahres 980 Millionen Dollar aus dem Aktienmarkt ab. Die türkische Lira verliert an Wert; für heuer wird eine Inflation von mehr als neun Prozent erwartet. Das Regierungsziel, sie auf vier Prozent zu drücken, sei frühestens in zwei Jahren möglich, prognostiziert die Zentralbank.

Die Gründe für die Probleme sehen Experten in der schwächeren Weltwirtschaftslage und in innenpolitischen Spannungen. Die Regierungspartei AKP ist vollauf damit beschäftigt, Vorwürfe abzuwehren, sie stehe im Zentrum anti-säkularer Tätigkeiten. Gegen die Fraktion von Premier Recep Tayyip Erdogan läuft ein Parteiverbotsverfahren. Dennoch will die Regierung - trotz massiver Proteste zahlreicher Gruppen - ein Sozialpaket durchbringen, das einige Pensionskürzungen vorsieht und die Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 65 Jahre bis 2048. Die Reform ist eine Bedingung des Internationalen Währungsfonds für die Gewährung eines 3,6 Milliarden Dollar-Kredits.

Ein attraktiver Handelspartner bleibt die Türkei aber allemal - auch für Unternehmer aus Österreich. Dutzende von ihnen werden denn auch Bundespräsident Heinz Fischer kommende Woche beim Staatsbesuch begleiten. So groß nämlich die Skepsis ob eines möglichen EU-Beitritts der Türkei in der österreichischen Bevölkerung ist, so vielfältig sind die wirtschaftlichen Beziehungen. Die Exporte in die Türkei legten seit 2002 um mehr als 60 Prozent zu. Sie könnten heuer die Marke von einer Milliarde Euro übersteigen, schätzt die heimische Wirtschaftskammer.

Politische Vorbehalte gegenüber der Türkei spielen im ökonomischen Verhältnis der beiden Länder kaum eine Rolle, heißt es aus österreichischen Wirtschaftskreisen. Die Türkei sei stark auf den Handel mit der Europäischen Union ausgerichtet: Immerhin nimmt die EU fast 57 Prozent der türkischen Exporte ab.

Im Energiebereich aber schwindet der europäische Einfluss. Wichtigster Lieferant ist mittlerweile Russland, wegen der Abhängigkeit der Türkei von mineralischen Treibstoffen und Ölen. Ebenso haben sich die politischen - und damit auch die wirtschaftlichen - Beziehungen der Türkei zu den Nachbarn im Süden und Südosten in den vergangenen Jahren stark verbessert.

Das Wirtschaftswachstum bekommen aber nicht alle Türken zu spüren. Die Arbeitslosigkeit liegt noch immer bei etwas mehr als neun Prozent; das Mindestgehalt beträgt gerade einmal rund 230 Euro. Eine eigene Wohnung ist davon kaum zu bezahlen, schon gar nicht in Istanbul. Das hat auch der 30-jährige Oguz erfahren. Vor kurzem noch hat er sich eine Wohnung mit Studenten geteilt. Die sind aber eines Tages verschwunden, ohne ihren Teil der Miete zu begleichen. Oguz hat alles selbst gezahlt - und ist danach wieder zu seinen Eltern gezogen.

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