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Der Zwist um den Uni-Zugang enthüllt das Dilemma des Bildungswesens

Von Heiner Boberski

Analysen

Jeder soll freien Zugang zu einem Studium seiner Wahl haben. Möglichst viele sollen auch ein Studium abschließen - da unsere Akademiker-Quote im internationalen Vergleich nachhinkt. Und die öffentliche Hand soll das gefälligst finanzieren, denn nichts ist heute so wichtig wie ein hohes Bildungsniveau der Bevölkerung. Das ist der Ruf, der regelmäßig aus Politik und Hochschülerschaft erschallt, wenn in unregelmäßigen Abständen Stimmen aus der Wissenschaft den Zugang zu den Hochschulen beschränken wollen.


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In dieser Debatte geht es vordergründig darum, ob man auf Quantität oder Qualität mehr Wert legt, also entweder eine möglichst große Zahl von Titelträgern oder aber eine kleine Schar sorgfältig ausgewählter und ausgebildeter Fachleute hervorbringen will. Noch mehr aber geht es um die richtige Nutzung oder Vergeudung von Lebenschancen und Ressourcen.

Der Wissenschaftsrat hat naturgemäß in ein Wespennest gestochen, als er nun empfohlen hat, den Unis die Vollmacht zu geben, in allen Fächern (in der Praxis kommt ohnehin höchstens ein Dutzend in Frage) und auf allen Stufen (Bachelor-, Master und Doktorstudien) Zulassungsverfahren einzuführen. Von den Kritikern wurde übersehen oder verschwiegen, dass der Rat keineswegs einer Reduktion der Studierenden das Wort redete, aber eine verantwortbare Relation zwischen der Zahl der Studienplätze und den verfügbaren finanziellen Mitteln einforderte. Und dabei mit Recht darauf hinwies, dass in sozialer Hinsicht der hierzulande praktizierte freie Hochschulzugang versagt hat: Der Prozentsatz derer, die aus niedrigen Bildungsschichten stammen und ein Hochschulstudium beginnen, ist in Österreich besonders niedrig und seit Jahrzehnten unverändert.

Aber liegen diese starren Verhältnisse nicht am Dilemma des gesamten Bildungswesens in Österreich? Es wird zwar viel von Qualitätssteigerung geredet (die auch auf allen Ebenen ab der Volksschule bitter notwendig ist), aber Gleichmacherei statt Leistung gefördert: Alle sollen möglichst lang in die gleiche Schule gehen, keiner soll dort mehr sitzenbleiben. Wenn dann die gewünschte Folge-Bildungseinrichtung plötzlich ein Super-Zeugnis oder einen Aufnahmetest verlangt, ist Feuer am Dach.

Irgendwann schlägt die Stunde der Wahrheit: Dann wird nicht mehr gefragt, welche Schule und Ausbildung man formal absolviert hat, sondern, was man kann und was man leistet, wofür man wirklich und wahrhaftig begabt und qualifiziert ist. Diese Stunde schlägt einem in jenen an Zahl abnehmenden "geschützten Bereichen", wo irgendein formaler Abschluss noch genügt, vielleicht nie, sonst aber im heutigen Berufsleben immer öfter.

Vielen täte es gut, würde diese Stunde bereits schlagen, ehe sie sich einer Ausbildung zuwenden, die sich nachträglich als falsch herausstellt, aber viel Lebenszeit gekostet hat.