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Deradikalisierung an Schulen stockt

Von Werner Reisinger

Politik

Bei der Bekämpfung extremistischen Gedankenguts benötigen Lehrer mehr Unterstützung, fordert der Bildungssprecher der Grünen Harald Walser.


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Wien. Politik und Experten sind sich einig: Früherkennung und Prävention sind die einzigen effektiven Maßnahmen, um einer möglichen Radikalisierung junger Menschen erfolgreich entgegenzutreten. Den Schulen kommt dabei eine zentrale Rolle zu, ist Harald Walser, Grünen-Bildungssprecher, überzeugt.

Zusammen mit dem Rechtsextremismusforscher Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) informierte Walser am Dienstag über Deradikalisierungsarbeit und Prävention an den heimischen Schulen. Mit ebendieser ist es laut Walser nicht zum Besten bestellt: Im vergangenen Jahr finanzierte das Unterrichtsministerium noch 600 Workshops, in denen Schüler und Lehrer von Experten in den Bereichen Rechtsextremismus und Islamismus aufgeklärt wurden. Seit heuer fehlen für diese Maßnahmen laut Walser die Mittel.

Generalverdacht nicht hilfreich

Vor allem islamistische Radikalisierung nehme in allen Schulformen zu, weiß Peham, der seit mehr als 20 Jahren an Schulen Präventions-Workshops zum Thema Extremismus leitet. Zwar würden "Anwerber" aus dem salafistisch-dschihadistischen Milieu Jugendliche vor allem dort ansprechen, wo sie ihre Freizeit verbringen - in Parks, in und um Moscheen und Vereinslokalen und nicht zuletzt immer intensiver in den sozialen Netzwerken im Internet.

"Es besteht aber ein Zusammenhang zwischen Schule und Radikalisierungsanfälligkeit: Je länger ein Jugendlicher die Schule besucht, desto weniger anfällig ist er statistisch gesehen für Anwerbeversuche", erklärt Peham. Problematisch sei jedoch oft auch das Verhalten der Pädagogen. In manchen Schulen betrage der Anteil muslimischer Schüler 60 bis 80 Prozent - "hier gibt es vonseiten der Lehrer nicht selten einen Generalverdacht gegen die muslimischen Schüler". Dieser verstärke das Autoritätsgefälle zwischen Schülern und Lehrern noch, ist Peham überzeugt.

Ethikunterricht gefordert

Islamistische Parolen, einschlägige Kleidung und Verbreitung von Propagandavideos - nicht immer muss dahinter tatsächlich ein Bedrohungspotenzial stecken. Islamistisches Gedankengut oder auch nur überzogene Betonung der eigenen religiösen Herkunft sei zu einer Art Jugend-Protestkultur geworden. Es sei oft nicht leicht zu unterscheiden, ob Jugendliche ernsthaft gefährdet sind oder nur provozieren wollen, so Peham. Um der Segregation zwischen Muslimen und Nichtmuslimen entgegenzuwirken, fordert Walser einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle Schüler sowie die flächendeckende Einführung des Fachs politische Bildung. In Sachen Extremismus kritisieren Walser und Peham eine schwache bildungspolitische Aktivität in den vergangenen Jahren. Weitere Kursangebote seien bereits in Planung, hieß es am Dienstag aus dem Bildungsministerium.