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Des anderen Leid

Von Mathias Ziegler

Reflexionen

Auf der Flucht: Wer schon jetzt, vor dem Anpfiff des ersten EM-Spiels, genug | von "König Fußball" hat, für den werden die kommenden drei Wochen in Wien | eine extrem harte Partie. Hier ein paar Tipps für erholsame Tage ohne grölende | Fans, angekotzte Parkbänke und Bierdosenteppiche.


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Einmal ganz ehrlich: Wer will sie wirklich als Gäste haben, die wahnsinnigen Fußballfreaks, die sich begeistert vollaufen lassen, um dann lauthals Schlachtgesänge zu grölen, die zwar sinn-, aber nicht jugendfrei sind? Weil aber Österreich und die Schweiz beschlossen haben, dass sie Gastgeber der Euro 2008 sein wollen, müssen die Bürger wohl oder übel damit leben. Und entweder ins Ausland flüchten oder in der Hauptstadt der lärmenden Masse auszuweichen versuchen. Zum Beispiel auf der Wiener Donauinsel.

Ab ins Grüne. Nachdem diese als Standort für eine Fanmeile nun doch nicht in Frage kommt, könnte man mit etwas Glück auf der grünen Insel zwischen den beiden Donauarmen halbwegs verschont bleiben. Ein kritischer Punkt ist dort allerdings, dass die ansässigen Grillpartien wohl auch im heurigen Juni an ihren Traditionen festhalten werden. Und so findet man zwar die gewünschte Ruhe, hat dafür aber oft den typischen Geruch der öffentlichen Bratstationen in der Nase - und mitunter ein bisschen Rauch in den Augen. Allerdings ist die Donauinsel relativ groß, und so stehen die Chancen nicht schlecht, in den Randzonen selbst den Grillern zu entgehen.

Etwas weiter nordwestlich ist es sogar noch ruhiger: Auf den Kahlenberg wird es mit Sicherheit kaum grölende Fans verschlagen. Wer Erholung mit sportlicher Betätigung verbinden möchte, kann hier schöne Stunden verbringen.

Auch das Erholungsgebiet Oberlaa in Favoriten eignet sich als Ausweichquartier für die EM-Tage. Mit Liegewiesen, romantisch angelegten Wegen und Feldern mit Blick auf den Bahnhof Kledering - wo sich gerade so viel tut, dass man gemütlich zuschauen kann, ohne sich gestresst zu fühlen - ist es der perfekte Ort für einen Tagesausflug. Nach einem Mittagessen in der Panoramaschenke kann man in der Musterhaussiedlung ein bisschen träumen (oder konkrete Zukunftswohnpläne schmieden).

Mittendrin, aber nicht dabei. Es gibt aber auch noch andere Taktiken als die großräumige Flucht. Umgehung auf engstem Raum lautet die Devise für das MuseumsQuartier: Während der Ring zwischen Helden- und Rathausplatz vollgestopft mit Fußballfans sein wird, hat sich das nahegelegene MQ bereits als "fußballfreie Zone" deklariert. Zwar sind die Enzi-Liegen auf dem Vorplatz heuer in Fastaustriaviolett gehalten, ansonsten soll aber nichts ans runde Leder erinnern. Man darf gespannt sein, ob es den Betreibern tatsächlich gelingen wird, diese Kultur-Bastion gegen den Ansturm der Fanhorden zu verteidigen.

Boot statt Ball. Gegen Euro-Randalierer glauben sich auch die Anrainer der Alten Donau gewappnet. Tretboot statt Fußball ist das Motto der Bootsvermieter. Deren Hoffnung: "Nach drei Stunden Tretbootfahren ist man zu müde für Ausschreitungen." Wenn´s wahr ist, dann steht den Kunden ein höchst angenehmer Juni bevor: Schließlich gibt es entlang der Alten Donau auch mehrere Bäder, darunter das Bundessportbad, dessen Klientel vornehmlich mehr an gemütlichen Tarock- als an lauten Fußballpartien interessiert ist.

Alternative Kultur. Es gibt natürlich noch etliche andere Plätze in Wien, wo sich kaum lärmende Fans hinverirren werden. Beispielsweise Schloss Schönbrunn oder das Belvedere. Die beiden herrschaftlichen Anlagen verbindet neben der kulturellen Geschichte und den reichhaltigen Schätzen, die sie bergen, auch die Tatsache, dass man im jeweiligen Schlosspark herrlich flanieren kann. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Besuch bei der Gloriette und einem anschließenden Spaziergang zum benachbarten Tiergarten, bei dem man auf dem Weg mit etwas Glück zutraulichen Eichkätzchen begegnet?

Lass dich mitreißen. Falls sämtliche Fluchtpläne scheitern sollten, bleibt immer noch eine Alternative, die sich bei Großereignissen wie diesem bisher stets bewährt hat: Augen zu und durch! Am besten mitten ins Getümmel schmeißen und selbst mitmachen - die Anfangsphase ist zwar hart, irgendwann springt der Funke dann aber über. Dazu noch ein Hinweis (nur für Volljährige!): Das mit dem "Schönsaufen" ist mehr als nur ein geflügeltes Wort . . .