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Des Gastes Freud, der Linie Leid

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Auch wenn die EU Fluggästen seit Jahresbeginn mehr Rechte einräumt - von einer neuen Klagewelle wollen die Fluglinien nicht sprechen. Schon vorher habe es nämlich Entschädigungen im Falle von Verspätungen, Flugausfall oder Überbuchung gegeben. Dennoch gibt die Austrian Airlines-Gruppe (AUA) Mehrkosten in Millionenhöhe zu.


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Bis zu 600 Euro Entschädigung bei Überbuchung oder Annullierung eines Fluges: Seit Februar können sich Flugpassagiere in der Europäischen Union auf eine EU-Verordnung berufen, die ihre Rechte stärkt. So haben sie etwa Anspruch auf Verpflegung oder eine Hotelunterkunft, wenn sie zu lange auf einen Flug warten müssen. Und wer trotz Ticket gar nicht wegkommt, kann Flugpreis plus Entschädigung geltend machen. Immerhin wurden laut EU-Kommission noch 2002 rund 250.000 Passagiere trotz Buchung nicht befördert.

Wenig Freude mit den neuen Regelungen hatten die Fluggesellschaften - auch wenn die meisten von ihnen schon vorher freiwillig ihre Kundinnen und Kunden entschädigten. Doch durch die Vorschriften der Kommission werden der Luftfahrt Mehrkosten in Höhe von 600 Mio. Euro jährlich verursacht, bezifferte Giovanni Bisignani, Generaldirektor des Weltluftfahrverbandes International Air Transport Association (IATA). Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist anhängig.

Die Fluglinien selbst wollen kaum Schätzungen über Mehrkosten anstellen. So verweist die Lufthansa auf bereits früher erfolgte Entschädigungen. Mit der EU-Verordnung hätten sich Zahl und Höhe der Ansprüche nicht verändert. Ähnlich bei Air Berlin, der nach Lufthansa zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft: "Der Unterschied ist nicht gravierend, weil wir nicht überbuchen", erklärte eine Sprecherin gegenüber der "Wiener Zeitung". Die "effiziente Flugplanung" lasse auch Verspätungen und Flugausfälle vermeiden.

Die AUA hingegen gibt Mehrkosten zu. Zwar habe auch sie früher ihre Passagiere entschädigt - was sich im Vorjahr mit sieben Mio. Euro zu Buche schlug. Doch die Neuregelung werde das Unternehmen heuer schätzungsweise noch fünf Mio. Euro mehr kosten.

Verfahren gegen Österreich

Obwohl die meisten Fluglinien die Verordnung bereits umsetzen, ist Österreich - gemeinsam mit Belgien, Italien, Luxemburg, Malta und Schweden - mit einer Rüge aus Brüssel konfrontiert. Weil die Staaten noch nicht allen Verpflichtungen nachgekommen sind, hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen sie eingeleitet. "Alle Länder müssen Sanktionen vorsehen, um gegen Fluggesellschaften, die sich nicht an die Vorschriften halten, auch wirksam vorgehen zu können", begründete Verkehrskommissar Jacques Barrot. Die Sanktionen müssen "wirksam, verhältnismäßig und abschreckend" sein.

Diese Definition sei allzu vage, heißt es im österreichischen Verkehrsministerium. "In der Verordnung ist nicht festgelegt, wie die Sanktionen aussehen sollen", erläutert ein Sprecher. Ein Vorschlag Österreichs, dass bei Beschwerden von Passagieren vor Gericht die Fluglinien die Rechtskosten zahlen sollen, war der Kommission nicht genug. Nun hat Wien bis 13. September Zeit, seine Stellungnahme nach Brüssel zu übermitteln. In der Zwischenzeit werden Gespräche sowohl mit der Kommission als auch anderen EU-Staaten geführt. "Wir wollen mit anderen Ländern eine EU-weite Regelung initiieren", kündigt der Sprecher an. Nationale Regelungen seien nicht sinnvoll.

Sollten die sechs Staaten die EU-Vorschriften nicht umsetzen, kann die Kommission vor dem EuGH klagen.