)
Kanzler Faymann will eine Milliarde aus der Spitalsfinanzierung umwidmen. Dagegen sind die üblichen Verdächtigen, die Idee ist aber gut.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Angela L. (83) ist körperlich in gar nicht so schlechter Verfassung. Allerdings ist sie seit einem Sturz der festen Überzeugung, ihre Hüfte sei gebrochen. Davon kann sie niemand abbringen. Seither lieg sie meist im Bett. Um nicht auf die Toilette zu müssen, trinkt sie viel zu wenig. So ist sie regelmäßig vollkommen ausgetrocknet.
Ihr Neffe kommt seit Monaten zwei Mal täglich um zu helfen und die nötigste Pflege zu leisten. Er bekniet die Tante, doch mobile Hilfe in Anspruch zu nehmen, was sie strikt ablehnt. Dafür ruft sie regelmäßig den Notarzt. In den letzten sechs Monaten war sie vier Mal im Spital. Nach dem letzten Aufenthalt hat sie mobile Hilfe akzeptiert. Allerdings hat das den weiteren Verfall nicht mehr abfangen können. Neun Monate nach dem Sturz kam sie in ein Pflegeheim, das sie bis zu ihrem Tod ein Jahr später nicht mehr verlassen hat.
Ähnliches passiert in Österreich jährlich bei Hunderttausenden alten Patienten. Rund 600.000 Spitalsaufenthalte (25 Prozent aller Aufenthalte) sind entweder nicht nötig oder könnten aus medizinischer Sicht deutlich kürzer sein. Rund drei bis vier Millionen Spitalstage entstehen so unnötigerweise, dafür braucht man mindestens 10.000 (20 Prozent aller) Spitalsbetten.
Statt jedoch Patienten während des Aufenthalts zu helfen, ihr eigenes Leben wieder selbst zu führen, erhalten sie den Spitalsvollservice; statt Rehabilitation bekommen sie hochtechnisierte Medizin; statt besser auf zu Hause vorbereitet zu werden, werden sie wie ein Pflegefall rund um die Uhr im Bett betreut. Im Grunde wäre für diese Patienten alles besser als ein Spital, und doch versorgen wir sie dort.
Die 10.000 Spitalsbetten kosten mindestens eine Milliarde Euro. Würden die Patienten auf speziellen Entlassungsabteilungen liegen, gäbe es ausreichend Kurzzeit- und Tagespflegeplätze, die wie Spitalsbetten als Sachleistung vorgehalten würden, kostete die Versorgung der Patienten nur etwa 400 Millionen, 600 Millionen Euro weniger. Damit könnte man beispielsweise das Pflegegeld um 30 Prozent erhöhen, oder aber die mobilen Dienste wenigstens teilweise als Sachleistung zur Verfügung stellen und das riesige Pflegeproblem deutlich mildern.
Wenn Bundesanzler Werner Faymann vorschwebt, Bundesgelder aus der Spitalsfinanzierung in einen Generationenfonds zu verlagern, und er dabei an die Abstimmung zwischen Pflege und Spitälern gedacht hat, dann ist die Idee wohlfeil; und zudem realisierbar - theoretisch!
Aktuell erhalten die Spitäler etwa eine Milliarde Euro direkt aus dem Steuertopf. Der Kanzler könnte, wenn er die Regierung überzeugt, das Geld umwidmen. Er könnte eine bundessteuerlich kofinanzierte abgestufte Versorgung zwischen Spitälern und Pflege anstoßen und die unmenschliche Schnittstelle zwischen der Spitals- und der Pflegewelt menschlicher gestalten.
Allerdings ist die Umschichtung von so viel Geld keine leichte Aufgabe. Es würde bedeuten, dass großflächig Spitalsabteilungen umgewidmet oder sogar geschlossen werden müssten. Ob da die Bundesländer, ohne die es dank Föderalismus nicht geht, mitgehen, ist fraglich. Die Ärztekammer hat bereits ihr Njet eingelegt. Und wenn ich mir die zuständigen Minister (Finanz und Gesundheit) anschaue, dann wage ich zu bezweifeln, ob selbst bei einem leisen Nein von Ländern oder Sozialpartnern ernsthaft Schritte angedacht werden. Also wird das System bleiben wie es ist: unmenschlich, teuer, aber das "beste der Welt".