Zum Hauptinhalt springen

Des Menschen überraschender Cousin

Von Eva Stanzl

Wissen

Homo naledi, ein Frühmensch mit Zügen des Homo sapiens, könnte sogar ein Zeitgenosse der allerersten modernen Menschen gewesen sein.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Homo naledi, eine Frühemenschenart mit Zügen des Homo sapiens, ist offenbar jünger als angenommen. Ein Team der Universität Whitwatersrand in Johannesburg, das die Art entdeckt hatte, hat die fossilen Knochenfunde datiert und erläutert seine Erkenntnisse im Fachjournal "eLife".

Ähnlich wie Vertreter der Gattung Homo vor 2,5 bis 1,5 Millionen Jahren, hatte Homo naledi ein etwa faustgroßes Gehirn - etwas größer als jenes eines Schimpansen. Finger, Schultern, Torso und Hüftgelenke ähneln Urmenschen, Handgelenke, Hände, Beine und Füße hingegen jenen von Neandertaler und modernem Mensch.

2013 und 2014 hatte das Forschungsteam um den Paläoanthropologen Lee Berger 1500 Fossilien von 15 Individuen im Rising Star-Höhlensystem in Südafrika gefunden. Der Zustand der Funde in den dunkeln und verzweigten unterirdischen Gängen eignete sich nicht für übliche Formen der Datierung und die Forscher schrieben die Fossilien der älteren Urgeschichte zu. Nun haben sie sich anderer Wege bedient, um herauszufinden, wann Homo naledi lebte. Sie verglichen die Verhältnisse radioaktiver Isotope und maßen mit einer speziellen Technologie die Veränderungen der Energiezustände von Elektronen in Zahnschmelz-Kristallen im Laufe der Zeit. So konnten sie herausfinden, dass die Knochenfunde 335.000 bis 236.000 Jahre alt sind.

"Die Daten sind um so viel kürzer zurückliegend, als wir angenommen hatten, dass es durchaus möglich ist, dass auch noch jüngere Überreste existieren. Das könnte bedeuten, dass Homo naledi ein Zeitgenosse der frühesten Vertreter des Homo sapiens war", hebt Berger in der Studie hervor. Als weitgehend akzeptiert gilt die auf Fossilfunden beruhende Theorie, dass der archaische Homo sapiens vor 200.000 bis 100.000 Jahren in Afrika entstand.

In einer zweiten Kammer des Höhlensystems haben die Forscher zudem weitere Überreste von mindestens drei Individuen gefunden, darunter ein fast vollständiger Schädel. Das Material ist noch nicht datiert. Die Paleoanthropologen gehen jedoch davon aus, dass auch Homo naledi so wie der moderne Mensch und der Neandertaler bereits eine Art Bestattungsritual gepflegt haben könnte, trotz seines vergleichsweise kleinen Gehirns. Berger und seine Kollegen vermuten auch, dass er Werkzeuge verwendet haben könnte.

Andere Forscher zeigen sich skeptischer. "Natürlich ist es möglich, dass Homo naledi ein guter Handwerker war. Aber das werden wir erst sicher wissen, wenn wir Werkzeuge zusammen mit Knochen finden. Bevor das der Fall ist, sollten wie die Menschheitsgeschichte noch nicht umschreiben", sagt Chris Stringer vom Natural History Museum in London zum Fachblatt "Nature".

"Anders als wir, waren unsere Vorfahren nicht die einzige Menschenart, die die Erde bevölkerte, wir sind erst seit Kurzen allein", betont Paul Dirks, Geologe der James Cook Universität in Australien. Zur gleichen Zeit lebten in Asien Homo erectus und in Afrika und Europa der großgewachsene Homo heidelbergensis, die Denisovaner und die Neandertaler. Sie alle gingen aufrecht, verwendeten Werkzeuge und beherrschten vermutlich das Feuer.

Berger und seine Kollegen wollen nun der Frage auf den Grund gehen, wann Homo naledi in der Evolution erstmals auftauchte, wann er wieder verschwand und welche Rolle er in unserem Stammbaum spielt.