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Des Staates neue Kleider

Von Claudia Peintner

Politik

Menschen zeichnen sich ein Bild von Ländern, bevor sie lesen können.


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"Wiener Zeitung": Sie haben den Begriff "Nation Branding" erfunden - inwiefern unterscheidet sich das "Nation Branding" von klassischer Tourismus-Werbung für ein Land?Simon Anholt: Im Tourismus wird viel Marketing angewendet. Als ich den Begriff "Nation Branding" entwickelte, hatte ich allerdings nicht Tourismus-Werbung im Sinn. Ich bezog mich auf das Gesamtansehen eines Landes, und hier helfen keine Marketing-Techniken. Marketing nützt höchstens, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verkaufen, aber es nützt nicht, um das Ansehen einer Nation zu steigern.

Was können Länder von Unternehmen in Sachen Marken lernen?

Nicht viel. Das Problem vieler Regierungen heute ist, dass sie sich zu sehr vom Verhalten der Unternehmen und dem Ansehen als Wirtschaftsstandort beeinflussen lassen. Meiner Meinung nach ist es Zeit, dass Politiker aufhören, der Wirtschaft dermaßen zu huldigen. Stattdessen sollten sie zur traditionellen Kunst des Regierens und der Staatsführung zurückkehren.

Länder wie Griechenland, Spanien oder Portugal waren stets Sehnsuchtsorte mit viel Sonne und Meer. Inwiefern hat sich ihre Marke in der Schuldenkrise verändert?

Das Image hat sich bis jetzt nicht allzu sehr gewandelt. Ein Land muss sich schon ein paar Jahre lang dramatisch verändern, bis auch die Menschen ihre Sichtweise ändern: Bilder von Staaten sind unglaublich stabil und werden nicht von kurzfristigen Phänomenen wie Naturkatastrophen oder wirtschaftlichen Umbrüchen beeinträchtigt.

Wie lässt sich aus einem Land eine Marke entwickeln? Ein Staat ist doch ein komplexes Konstrukt von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einflüssen.

Es ist nicht möglich. Das ist seit 15 Jahren eine meiner Kernbotschaften: Ein Land ist fast das Gegenteil von einem Produkt oder Unternehmen. Es kann nicht einfach auf einen Slogan, ein Logo oder eine Marke reduziert werden. Das wäre ein naiver und gefährlicher Versuch und eine Verschwendung von Steuergeld.

Welche Rolle spielen die Medien für das Image eines Landes?

Medien spielen eine wesentlich unbedeutendere Rolle, als viele glauben. Viele von uns zeichnen sich ein Bild von anderen Ländern, bevor wir überhaupt alt genug sind, um Zeitung zu lesen oder im Internet zu surfen: Bilder von Nationen sind ein tief verwurzeltes kulturelles Phänomen und sie verändern sich nicht aufgrund positiver oder negativer Schlagzeilen. Tatsächlich nimmt man seit vielen Jahren an, dass häufige Medienpräsenz eines Landes dessen internationale Bedeutung steigert. Es macht jedoch keinen Unterschied, ob positiv oder negativ berichtet wird.

Was kann Griechenland machen, um sein Ansehen zu verbessern?

Das Einzige, was Griechenland tun kann, ist: Mut, Entschlossenheit, Verantwortung und Ideenreichtum aufzubringen - um die Krise zu bewältigen, die Wirtschaft und die Bevölkerung zu stabilisieren und Wohlstand zu gewinnen. Jeder Versuch, das internationale Ansehen mit PR oder Marketing zu steuern, wäre die äußerste Beleidigung für das griechische Volk. In Zeiten wie diesen sind nur politische Strategien angebracht. Es geht in Griechenland jetzt nicht darum, Botschaften zu verschicken. Es geht darum, zu handeln!

Welche Länder sind Vorbilder im Nation Branding?

Es gibt keine guten Beispiele, weil nahezu alle Staaten fälschlicherweise "Branding" mit Slogans, Logos etc. betreiben und damit nichts bewirken. Der Ruf eines Landes wird davon bestimmt, was es tut oder nicht tut, und nicht davon, was es über sich sagt. Der einzige Weg, um einen besseren Ruf zu erhalten, ist, sich ihn zu verdienen. Wie? Indem man eine langfristige politische Strategie ausarbeitet und verfolgt, die den Beitrag eines Landes zu mehr Mitmenschlichkeit oder für den Planeten verbessert.

Wie steht Österreich als Marke da?

Die 30.000 Menschen in meiner Ländermarken-Umfrage mögen Österreich. Das Land steht in Anbetracht seiner Größe, Wirtschaft und seiner Mitsprache im Weltgeschehen gut da. Es hat einen gewissen Einfluss, vor allem wegen seiner Kultur und Landschaft.
<br style="text-decoration: underline;" /> Nation Branding:Der Brite Simon Anholt ist Politik-Berater und berät Staaten dabei, wie sie sich mit einem Markenimage in der Welt beliebter machen können. 1996 erfand Anholt den Begriff "Nation Branding". Er bezeichnet damit den Versuch, einem Staat durch Anwendung von Kommunikationstechniken ein mit einer Handelsmarke vergleichbares Image zu verschaffen. In Zusammenarbeit mit einem großen US-Meinungsforschungsinstitut gibt Anholt jährlich den Nation-Brand-Index (Ländermarken-Index) heraus.