Export von Solarstrom von Nordafrika nach Mitteleuropa kommt zu teuer.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das ehrgeizige Wüstenstrom-Projekt Desertec ist nach dem Absprung diverser Unterstützer wie Siemens und Bosch auf der Suche nach neuen Partnern. Erster Anwärter könnte der staatliche Stromnetzbetreiber State Grid Corporation of China (SGCC) sein. Der Geschäftsführer des Desertec-Industriekonsortiums DII, Paul van Son, erklärte dazu am Mittwoch im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters: "Der Prozess mit State Grid läuft." Desertec sei aber auch mit anderen Unternehmen aus Asien über eine Mitgliedschaft im Gespräch. Van Son forderte zudem ein stärkeres Engagement Europas.
Siemens und Bosch hatten sich Ende vergangenen Jahres von ihren Solar-Sparten getrennt und als Desertec-Gesellschafter von dem Wüstenstromprojekt verabschiedet. Desertec - mit Partnern wie RWE, E.ON und Münchener Rück - will in Marokko und anderen Ländern den Bau von Solarthermie- und Photovoltaik-Anlagen vorantreiben. Ein Teil der Energie soll den Plänen zufolge bis 2050 nach Europa exportiert werden. Geschätztes Investitionsvolumen über die Jahrzehnte: 400 Milliarden Euro. "Jetzt muss Europa die Sache anpacken, sonst passiert nichts", betonte van Son.
Die Vision von der Einfuhr überschüssiger Sonnenenergie aus Nordafrika nach Europa verliert einem Branchenkenner zufolge derweil an Faszination. "Das Thema passt in der derzeitigen Phase mit der Energiewende in Deutschland und der Schuldenkrise in Europa nicht auf die Agenda."
Nach Einschätzung von Energie-Agentur-Chef Stephan Kohler muss Desertec ohnehin seine Ziele zurückschrauben. Der Export des Sonnenstroms bis nach Deutschland sei zu teuer und deshalb nicht realisierbar. Außerdem müssten die afrikanischen Länder ihren eigenen wachsenden Energiehunger stillen und hätten voraussichtlich keine Überschüsse zu verkaufen. "Desertec ist von Anfang an mit dieser Vision überfrachtet worden", hatte Kohler in der Vergangenheit kritisiert.
Ein erstes Solar-Großkraftwerk hat derweil der sonnenreiche Staat Marokko auf den Weg gebracht. Das Land will bis 2020 Solarkraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 2000 Megawatt errichten. Dafür will der Staat neun Milliarden US-Dollar investieren.
Am Standort Quarzazate am Fuße des Hohen Atlas wird in einem ersten Schritt ein solarthermisches Kraftwerk errichtet mit einem Investitionsvolumen von 700 Millionen Euro. Die KfW Entwicklungsbank fördert das Projekt mit 115 Millionen Euro. Daneben beteiligen sich aber auch die Europäische Kommission, die Europäische Investitionsbank (EIB), die französische Entwicklungsbank AFD sowie die Weltbank und die Afrikanische Entwicklungsbank. Die Federführung für das Projekt liegt bei der marokkanischen Projektgesellschaft MASEN (Moroccan Agency for Solar Energy).
(Reuters)