Peter Hargreaves und Crispin Odey haben Millionen in die "Leave"-Kampagne gesteckt. Nun glauben sie, dass es überhaupt keinen Brexit geben wird.
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London. Was macht man mit seinem Geld, wenn man ein Vermögen von mehr als drei Milliarden Pfund besitzt? Den dritten Privatjet kaufen? Immobilien in aller Welt zusammentragen? Peter Hargreaves hält davon relativ wenig. "Tatsächlich leben wir sehr bescheiden", sagt der 72-jährige Milliardär in einem vor kurzem erschienen Interview mit der "Daily Mail". "Meine Frau fährt einen sechs Jahre alten Range Rover, und auch mein Auto ist drei Jahre alt."
Eine Sache gibt es allerdings, für die Hargreaves, der seine Vermögen in der Finanzbranche gemacht hat, in den vergangenen Jahren mit großer Leidenschaft Geld ausgegeben hat: den Brexit. Insgesamt dürften es umgerechnet knapp vier Millionen Euro gewesen sein die Hargreaves 2016 für die Unterstützung, der "Leave"-Kampagne hat springen lassen. Damit war er nach Arron Banks, gegen den wegen unklarer Geldflüsse und eventueller Russlandverbindungen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden, der zweitgrößte Financier der Pro-Brexit-Bewegung.
Für einen starken Bruch
Getrieben hat Hargreaves dabei wie die meisten anderen Brexiteers die Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit und der Glaube an eine goldene wirtschaftliche Zukunft Großbritanniens außerhalb der EU. Und dem Bäckersohn aus Clitheroe konnte der Bruch gar nicht radikal genug sein. Immer wieder machte er sich für einen No-Deal-Brexit stark, also einen Austritt ohne Abkommen. "Das ist die beste Option", sagte Hargreaves noch Ende August gegenüber dem Finanznachrichtendienst Bloomberg. Schließlich würden Deutschland, Frankreich und Italien als größte Exporteure nach Großbritannien, alles daransetzen, um ein EU-Freihandelsabkommen mit London zu erzielen. Drei Tage bevor die britsche Parlamentarier über den von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag abstimmen, ist von den Träumen des zwölftreichsten Briten allerdings nichts mehr über.
"Ich glaube nicht, dass es überhaupt noch einen Brexit geben wird", sagte Hargreaves der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich habe komplett aufgegeben. Ich bin total verzweifelt."
Hargreaves Ansicht nach wir die britische Regierung zunächst um eine Verschiebung des für den 29. März geplanten EU-Austritts bitten und anschließend ein zweites Referendum ansetzen. "Die Pro-Europäer setzen darauf, dass die Bürger schon mehr als genug von den ganzen Brexit-Debatten haben und deshalb für den Verbleib stimmen", ist Hargreaves überzeugt. "Ich spüre diese Stimmung sehr deutlich."
Mit seinem Pessimismus ist Hargreaves, der von einem massiven und lang anhaltenden Vertrauensverlust in die politische Klasse warnt, nicht allein. Auch Crispin Odey, der ebenfalls knapp eine Million Euro für die Pro-Brexit-Kampagne gespendet hat, will nicht mehr an einen Austritt glauben. "Mit der derzeitigen Konstellation sehe ich nicht, wie das noch gelingen soll", sagt Odey, der bei seinem Hedgefonds Odey Asset Management auch schon die entsprechenden Konsequenzen gezogen hat. So setzt Odey, der in den vergangenen Jahren mit Wetten gegen britische Unternehmen und das Pfund gut verdient hat, nun wieder auf einen steigenden Kurs der britischen Währung. "Es sieht so aus, als könnte das Pfund ziemlich zulegen", sagt Odey. Wer Schuld an der ganzen Misere rund um den ins Stocken geratenen Austritt trägt, ist für ihn dabei so klar wie für Hargreaves. "Das Unglück ist, dass es niemanden gibt, der ernsthaft die Führung in der Brexit-Sache übernommen hat."