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Deus ex populi potentia

Von Franz Witzeling

Gastkommentare
Franz Witzeling ist Psychotherapeut, Soziologe und praktizierender Katholik

Sind ungehorsame Wutpriester am falschen Kirchgang und erkennen den Unterschied zwischen Zeitgeist und Heiligem Geist nicht?


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Der Zeitgeist und der Heilige Geist haben nicht viel gemeinsam, das dürfte auch den rebellierenden Priestern bekannt sein. Auf den Zug der Wutbürger aufzusteigen, ist sicher eine nachvollziehbare Verlockung für die Priesterrebellen. Aber wenn man die katholische Kirchengeschichte kennt, sollte man sich bewusst sein, dass man sich mit dem Untergraben der gottgegebenen Autorität auf dem falschen Dampfer befindet. Denn das von Gottes Geist gesteuerte Kirchenschiff konnte trotz Skandalen und Streitigkeiten von bekannt sündigen Menschen nicht vom Kurs einer konsequenten Fahrt über alle Wellen der Zeit zum unerschütterlichen Glauben abgebracht werden.

Revolution und Religion sind zwar journalistisch nutzbare Alliterationen, in der lebenspraktischen Umsetzung der inhaltlichen Bedeutung erinnern sie jedoch an Magneten, deren Pole einander gegenseitig abstoßen. Dieser Eindruck spiegelt sich in den medial transportierten Bildern von Aktivitäten und Statements der opponierenden Priester und der Bischofskonferenz wider.

In der Kirche gibt es keinen Ungehorsam, in der Kirche folgt man dem Geist und der Botschaft des Glaubens, der den Gläubigen, eingebettet in einer klaren Hierarchie, durch die Diener Gottes nähergebracht wird. Denn Zwist und Zweifel nagen an der Seele, das ist die Erkenntnis, die gerade Priester auf dem Weg ihrer Entscheidung, das Priesteramt anzunehmen, nicht fremd sein sollte. Jede Form des kompensatorischen Konfliktes, der anscheinend bei manchen aufmüpfigen Priestern zeitverzögert zum Ausbruch kommt, sollte den betroffenen Priestern in jedem Einzelfall in seiner Bedeutung professionell therapeutisch begleitet gespiegelt werden.

Das Ziel ist Friede innerhalb der Kirche - Seelenfrieden für den Wutpriester, das und nichts anderes wünschen sich die einfachen gläubigen Menschen, die gerade in Zeiten wie diesen in der Gemeinschaft der Gläubigen ihre innere Ruhe und ihren Seelenfrieden über das Leben hinaus finden. Warum tun ihnen und sich selbst jene Priester das an, wenn doch der Schritt zum Austritt, den viele Laie gehen, wenn sie mit den Rahmenbedingungen der Kirche nicht mehr zurechtkommen, naheliegender und einfacher wäre? Dem soziologisch zu analysierenden Säkularisierungsprozess, den diese Priester medial unterstützen, aber nicht intelligent inszenieren, ist zwar kurz ein Zeitfenster aufgegangen, das diese als Chance sahen, eine neue Form der Personalentwicklung ins Priestertum und in ihre Kirche zu bringen. Was aber die engagierten Wutpriester nicht wissen, ist, dass das Fenster zum gewünschten Durchlüften der katholischen Kirche schon wieder zugegangen ist.

Die Kirche ist kein Platz für Profilierung und profane Planspiele, um die Macht auf der Himmelsleiter einer verleugneten weltlichen Karriere anzustreben. Denn die Gläubigen brauchen eine wertstabile Glaubensgemeinschaft, auf die sie sich verlassen können. Verunsicherung und Zweifel am festen Glauben entziehen der über Jahrhunderte gewachsenen Glaubensgemeinschaft die sozialhygienische Funktion, die man mit der Kirche verbindet.