Die Investmentbank schließt sich der Friday-for-Future-Bewegung an.
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Wien/Frankfurt. Bis vor kurzem war es undenkbar, dass Schülerdemonstrationen und die Deutsche Bank etwas gemeinsam haben. Bis vor kurzem war es auch undenkbar, dass eine Investmentbank nach mehr Regulierung und dem Eingriff des Staates ruft.
Dennoch ist beides eingetreten. Dafür verantwortlich: der Klimawandel.
Der Ökonom und Leiter des Bereichs Anlagen bei der Deutschen Bank, Markus Müller, zeigt sich in Wien erleichtert, dass mit den "Fridays for Future"-Demonstrationen der Klimawandel in Europa inzwischen auch in einer größeren Bevölkerungsschicht diskutiert wird. "Dagegen wurde der Klimawandel zuletzt eher in den Schwellenländern diskutiert, die mit der Umweltverschmutzung bisher direkter konfrontiert worden sind", erklärt der Nachhaltigkeits-Experte, der auch das Wealth Management der Deutschen Bank verantwortet,bei einem Pressegespräch in Wien. Die UNO hatte erst zum Weltumwelttag am Mittwoch bekanntgegeben, dass weltweit neun von zehn Menschen Luftschadstoffen ausgesetzt sind, die die Leitlinien für Luftqualität überschreiten.
Eine Studie des Magazins "Nature" errechnete die gesellschaftlichen Kosten des Klimawandels in Indien auf um die 86 Dollar pro Person und Jahr. Dazu zählen etwa die fehlenden Ernteerträge, die Erkrankungen, die Ausfälle aus dem Erwerbsleben. Dabei ist das - nach China - bevölkerungsreichste Land der Welt nur für sechs Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. In den USA sind die sozialen Kosten derzeit vergleichsweise magere 48 US-Dollar pro Kopf. Und damit vielleicht nicht genug, um einen breiten Protest auszulösen.
Bewusstseinsveränderung und ein gesetzlicher Rahmen
Jetzt setze die Bewusstseinsveränderung in Europa ein, meint Müller. Und das ist von immenser Bedeutung. "Wir haben die Notwendigkeit eines Systemwandels vor uns", formuliert es der Ökonom. Um den umzusetzen, brauche es gesellschaftliche Bereitschaft und andererseits ein Eingreifen seitens des Staates. "Wir brauchen die Regulierung, um einen größeren Schaden zu vermeiden und um so eine Transformation anzustoßen", erklärt Müller.
Wieso spricht sich ausgerechnet ein Investmentbanker für Gesetze aus, wo die Branche doch eher für ihre ablehnende Haltung zu staatlichen Eingriffen bekannt ist? "Weil die Regulierung in allen Bereichen erfolgen muss", sagt Müller, und das keiner allein schaffen könne. "Es bringt nichts, das Thema Umweltproblematik zu individualisieren", erklärt Müller. So, dass sich jeder Einzelne fragt, ober noch Auto fahren darf oder fliegen. Was sehr wohl etwas brächte, wäre, wenn etwa beispielsweise das Fliegen je nach Häufigkeit immer teurer wird. So könnten Vielflieger umdenken, aber nicht jeder mit sporadischem Fernweh wird auf den Balkon festsitzen. Es sind viele verschiedene Maßnahmen hier denkbar. Beim Fleischkonsum etwa könnte eine Art Subventionsmodell für nachhaltiges Fleisch greifen in Kombination mit Gesetzen, die den Fleischkonsum etwas dämpfen.
Denn ein neues Lebensmodell für diesen Planeten wird in der industrialisierten Welt darauf hinauslaufen, dass die Menschen auf einiges verzichten müssen, an was sie sich bisher gewöhnt hatten, gibt Müller zu.
Ob das auf eine CO2-Steuer hinausläuft oder besser über Emissionszertifikate, will Müller nicht entscheiden. Hauptsache Lenkungsmaßnahmen.
Müller warnt aber davor, dass vermeintliche Alternativen zu einem Ablasshandel werden. Nur, weil man sich kein Auto gekauft hat, heißt das nicht, dass man alle Wege getrost mit einem gemieteten Auto zurücklegen soll - Stichwort Carsharing-Dienste oder Taxis. Nur, weil es Recycling gibt, heißt es nicht, dass Plastik unproblematisch ist.
Damit es nicht zu Exzessen auch bei den alternativen Wegen gibt, braucht es laut Müller ebenso ein Korsett.
Seit der Finanzkrise gibt es den Trend des ethischen Etiketts
Dass Träger von Birkenstock-Sandalen aus der Öko-Szene und Träger von dunkelblauen Anzügen aus der Banker-Branche auf einmal ähnliche Ziele haben, hat sich erst in den vergangenen zehn Jahren entwickelt. Mit der globalen Finanzkrise hat das Akronym "ESG" langsam in die Unternehmen, und damit auch Banken, Einzug gehalten. Etwa auch bei der Deutschen Bank. E steht für ökologisch, S für sozial und G für Governance. Früher war ESG etwas, was sich bei Geldanlagen von Stiftungen und Kirchen erschöpft hat.
Doch es setzte ein Wandel ein. Viele Unternehmen wollten auf einmal auch als moralische Entitäten wahrgenommen werden. Keine Korruption. Diversität. Und ansonsten: Bitte das Mail nicht ausdrucken.
Greenwashing und Lippenbekenntnisse sind leider an der Tagesordnung. Nicht alle nehmen es mit der Etikettierung so genau. Bisher sanktionslos.
Was ESG genau ist, bisher ungeregelt, in der EU selbst wird gerade über die Definitionen beraten. "Aber Definitionen sind erstmal Nebensache", meint Müller. Zuerst das Tun und dann die Feinjustierung.
Bis die Politik nachkommt, können sich aber Anleger schon selbst überlegen, was sie mit ihrem Geld bewirken und steuern können. Die Lösung wäre hier auf nachhaltige Fonds zu setzen. "Wir alle haben Verantwortung. Der Anleger auch", erklärt Müller.