Wiener Vereinigung wies in der Vergangenheit Nähe zur rechtsextremen Szene auf.
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Stuttgart. Die Deutschen Burschenschaften machen unter dem Vorsitz eines ultrakonservativen Wiener Verbandes einen Schritt weiter nach rechts: Beim außerordentlichen Treffen des Dachverbandes Deutscher Burschenschaften (DB) in Stuttgart wurde die Wiener Teutonia zur Vorsitzenden Burschenschaft bestimmt. Dem Kooperationsverband, der in der Vergangenheit wiederholt durch rechtsextreme Gesinnung aufgefallen ist, obliegt es nun, die Verbandstagungen sowie den jährlichen "Burschentag" zu organisieren und zu leiten. Im Kräfteringen zwischen dem national-liberalen und dem rechten Flügel innerhalb des Dachverbandes konnte sich letzterer mit dieser und anderen Weichenstellungen durchsetzen. Beobachter rechnen nun dem Austritt zahlreicher moderater Burschenschaften aus dem Verband.
Es war ein Kräftemessen, das sich bereits im Vorfeld des außerordentlichen Treffens der Burschenschaften abgezeichnet hatte: Liberale Studentenvereinigungen wollten den zunehmend offen rechtsextremistischen Tendenzen im Dachverband Einhalt gebieten und forderten eine Klärung der Ausrichtung. Etwa 500 Vertreter der über 100 Burschenschaften, die für das Treffen nach Stuttgart anreisten, konnten aber nicht verhindern, dass die Gräben zwischen den beiden Flügeln sich sogar noch vertieft haben - und mehr denn je eine Spaltung des Dachverbandes Deutscher Burschenschaften im Raum steht.
Handlungsfähigkeit oder Spaltung?
Offiziell feiert der Dachverband das Treffen als einen Erfolg. Unter dem Satz "Deutsche Burschenschaft beweist Handlungsfähigkeit" betont man in einer Erklärung, dass Gegensätze zwischen den Flügeln überwunden wurden: "Entgegen aller Unkenrufe stellte die Deutsche Burschenschaft ihre Fähigkeit zur Lösung schwieriger Situationen unter Beweis. Auch unter dem Gesichtspunkt, daß in Einzelfragen scheinbar stark kontroversielle Standpunkte mit viel Herzblut dargestellt und verteidigt wurden, konnten letzten Endes in wichtigen Punkten für alle Seiten vertretbare Lösungen gefunden werden."
Tatsächlich fielen die Entscheidungen in diesen Einzelfragen allerdings mehrheitlich im Sinne des rechten Lagers aus. So wurde beispielsweise der Antrag auf Ausschluss zweier Burschenschaften, gegen die der Vorwurf des Rechtsextremismus erhoben wird, verhindert. Der Vorschlag, den Dachverband zu ermächtigen, künftig einzelne Burschenschafter direkt zu bestrafen, wurde ebenso abgeschmettert wie das Ansinnen des moderaten Flügels, die Mitgliedschaft eines Burschenschafters in verfassungsfeindlichen Vereinigungen als Ausschlussgrund aus Burschenschaften zu verankern.
Vorsitz mit einschlägigem Ruf
Speziell die Wahl der Wiener Teutonia zur Vorsitzenden Burschenschaft signalisiert, in welche Richtung sich der Verband bewegen will. Die Teutonia, die laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes lange als Hochburg der militant-rechten Szene galt und Mitglieder aus rechtsextremen Organisationen eine burschenschaftliche Heimat bot, spielt, obwohl erst seit 2007 Mitglied im Verband, schon seit dem Sommer, als Teutonia-Mitglied Walter Tributsch zum Pressereferenten des Verbandes gewählt wurde, eine gewichtige Rolle.
In Österreich fiel die Teutonia zuletzt durch rassistisch oder antisemitisch gefärbte Verunglimpfungen gegen den ehemaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Ariel Muzicant auf. Nach Angaben der antirassistischen Plattform stopptdierechten.at wurde Muzicant auf einem Flugblatt der Teutonia als der "Mann mit der Halbglatze", den "nervösen Händen" und den "dicken Brillengläsern" vorgeführt, der nach Österreich, wo es "ihm sehr gut geht", "aus dem gelobten Land" eingewandert sei, obwohl er die "Österreicher nicht mag".
Die Ergebnisse des Stuttgarter Treffens fasst Tributsch nun folgendermaßen zusammen: "Eine Spaltung der Deutschen Burschenschaft ist erst einmal vom Tisch." Angesichts der in Stuttgart erfolgten Weichenstellungen nach rechts wird freilich von vielen Seiten erwart, dass sich die Austrittswelle der liberalen Burschenschaften aus dem Dachverband fortsetzen oder gar beschleunigt wird. Michael Schmidt, Tributschs Vorgänger als Pressereferent und Vertreter des liberalen Lagers, kann den Vorgängen laut Spiegel Online immerhin eines abgewinnen: "Die Tagung hat große Klarheit gebracht."