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Deutsche Journalisten in iranischer Haft

Von Stephan Grigat

Gastkommentare

Marcus Hellwig und Jens Koch sitzen seit mehr als 100 Tagen in iranischer Haft und werden vom Regime als Staatsgeiseln gehalten. Die meisten Politiker und Medien in Deutschland reagierten auf die Verhaftung der "Bild am Sonntag"-Journalisten zunächst mit wochenlangem Schweigen.


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Schlimm genug, dass sich so gut wie niemand in Europa für das Schicksal der zahllosen, schlimmster Folter ausgesetzten und von Hinrichtung bedrohten iranischen Oppositionellen interessiert.

Statt nun aber die Machthaber in Teheran wenigsten angesichts der Drangsalierung deutscher Staatsbürger massiv unter Druck zu setzen, flog erst einmal eine Delegation des Bundestags in den Iran und gab sich für die Propagandainszenierungen des Regimes her. Lange waren es fast ausschließlich Exil-Iraner, die auf das Schicksal der Journalisten aufmerksam machten und der deutschen Regierung Untätigkeit vorwarfen.

Mit dreimonatiger Verspätung gab es dann aus Deutschland öffentliche, aber reichlich zahme Forderungen nach einer Freilassung in Form von Bettelbriefen. Das Regime quittierte diese mit neuen Drohungen. Fast niemand widerspricht, wenn Ramin Mehmanparast, Sprecher des iranischen Außenministeriums, behauptet: "Unsere Justiz ist völlig unabhängig und trifft ihre Entscheidungen nicht unter Druck." Durchaus zu Recht spricht er die Vertreter der Berliner Republik selbst dann noch mit "unsere deutschen Freunde" an, wenn er ihnen droht, jede weitere Einmischung im Fall der inhaftierten Journalisten werde "nach hinten losgehen."

"Du bist nichts, die Staatsräson ist alles" - dieses Motto gilt auch für den Rechtsnachfolger des Dritten Reiches. Egal, wie lange Hellwig und Koch noch im Iran grauenhaften Haftbedingungen ausgesetzt sind - bereits die vergangenen Monate haben gezeigt, dass es bei dieser Staatsräson in Deutschland offensichtlich weniger um Stärke gegenüber einem renitenten Schwellenland geht als um die Aufrechterhaltung der Bedingungen für den Iran-Handel. Denn es wäre ein Irrtum zu glauben, durch die UN- und EU-Sanktionen hätte sich Substanzielles am deutsch-iranischen Verhältnis geändert. Die deutschen Maschinenbauer, die so wie viele österreichische Mittelständler den Iran mit unentbehrlicher Hochtechnologie versorgen, sind von den Sanktionen kaum betroffen. Die bisher veröffentlichten Zahlen zum Iran-Geschäft für 2010 zeigen so wie in Österreich einen deutlichen Anstieg des Handelsvolumens. Und die Europäisch-Iranische Handelsbank in Hamburg, die der deutschen Bankenaufsicht unterliegt und auch in Seminaren der Österreichischen Wirtschaftskammer beworben wird, ist mittlerweile nicht nur für das europäische, sondern das internationale Business mit dem Iran von zentraler Bedeutung. Deutschland wurde zur globalen Drehscheibe für die Finanzierung des Handels mit Pasdaran und Ajatollahs. Vom Schicksal zweier Journalisten will man sich dabei offensichtlich nicht beeindrucken lassen.

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Wien.