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Deutsche lösen Inferno aus

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Wut gegen internationale Friedenstruppe wächst. | Heuer bereits 800 tote Zivilisten nach Luftangriffen. | Neu Delhi. Bei einem Bomben-Angriff der Nato auf zwei von den Taliban gekaperten Tanklastern sind am Freitag in Kunduz über 50 Menschen ums Leben gekommen. Afghanische Quellen sprechen sogar von 90 Leichen. Unter den Toten befinden sich nach Angaben der Presseagentur AFP zahlreiche Zivilisten. Den Lufteinsatz gegen die Taliban angefordert hat die deutsche Bundeswehr.


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Aufständische haben in der Nacht zum Freitag die beiden Fahrzeuge aus dem deutschen Feldlager entwendet, um den Treibstoff zu stehlen, erklärte die Bundeswehr. Zunächst hieß es, dass bei dem Angriff etwa sieben Kilometer von Kunduz entfernt ausschließlich Taliban getötet worden seien. Einwohner in Kunduz erklärten jedoch der BBC, auch Zivilisten seien unter den Opfern. Später musste die Nato einräumen, dass es zumindest verletzte Zivilisten gäbe. Diese sollen versucht haben, Benzin aus den entwendeten Tankwagen zu ergattern, da eines der Fahrzeuge in einem Flussbett feststeckte. Afghanen sollen mit Töpfen und Eimern herbeigeeilt sein, einige Bauern kamen sogar mit Traktoren, um diese zu betanken. Die Toten wurden in einem Massengrab beigesetzt, die Verletzten in den umliegenden Krankenhäusern behandelt.

Jetzt besteht die Gefahr, dass sich der Zorn der Afghanen gegen den Einsatz der internationalen Truppen richtet. Der Tod von unschuldigen Menschen durch Operationen der Nato in Afghanistan hat die Mission der westlichen Allianz in den letzten Monaten zunehmend in Misskredit gebracht. Allein zwischen Jänner und Mai 2009 sollen am Hindukusch nach Angaben der UNO bei Luftangriffen etwa 800 Zivilisten getötet worden sein.

Die Wut gegen die fremden Soldaten wächst. Der Oberkommandierende der Nato in Afghanistan, General Stanley McChrystal, hatte daher gerade erst gefordert, bei Militäraktionen behutsamer vorzugehen, um zivile Opfer zu vermeiden. Die Vermeidung ziviler Opfer ist allerdings nicht leicht in dem verwickelten und schmutzigen Krieg, der in Afghanistan tobt. Der Übergang zwischen den radikal-islamischen Taliban-Kämpfern und der Bevölkerung ist fließend. Aufständische nutzen in Guerilla-Manier Zivilisten, um sich vor Angriffen der westlichen Truppen zu schützen.

Lange Zeit bereitete dieses Problem vor allem den britischen und amerikanischen Soldaten, die im Süden Afghanistans operieren, Kopfzerbrechen. Doch die radikalislamischen Taliban sind nun auch im Norden des Landes auf dem Vormarsch, wo es bis Anfang dieses Jahres vergleichsweise ruhig war.

Afghanistan-Einsatz verliert Rückhalt

Auch in Kunduz, wo sich am Freitag die vorläufig letzte Tragödie ereignete, wächst die Grauzone zwischen einem guten und einem schlechten Krieg. Weil die Taliban erstarken und nun bekämpft werden, geht die Zahl der Opfer bei den Nato-Soldaten und bei der afghanischen Zivilbevölkerung nach oben. Der Einsatz der Bundeswehr verliert damit in Deutschland an Rückhalt in der Bevölkerung. Ähnliches passiert in Afghanistan: Die Bevölkerung, die sich von den fremden Soldaten eigentlich Schutz erhofft, wird zunehmend desillusionierter, fordert Rache für die unschuldigen Opfer und schließt sich auch aus diesem Grund den Taliban an.

Während die Taliban in Afghanistan erstarken und das Land mit einer Welle von Anschlägen überziehen, befindet sich das Land nach den Präsidenten-Wahlen am 20. August in einem politischen Vakuum. Immer noch werden Stimmen ausgezählt und über Millionen angeblich gefälschter Wahlzettel gestritten.