In drei Wochen wird Deutschland den Vorsitz sowohl des EU-Ministerrates als auch der "Gruppe der Acht" (G 8) übernehmen. Die Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft sind hoch.
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In der Bundestagsdebatte am Donnerstag listete Bundeskanzlerin Angela Merkel die Schwerpunkte auf: Ab Jänner bekommt die EU mit Rumänien und Bulgarien zwei neue, nicht unproblematische Mitglieder, die das Integrationsvermögen der Gemeinschaft auf eine neue Probe stellen.
Der sinkenden Akzeptanz der EU in der Bevölkerung will man energisch entgegentreten. Und das heißt natürlich vor allem: neue Arbeitsplätze, Wohlstand, weniger Regelungswut, Versorgungssicherheit bei der Energie, besserer Schutz der Außengrenzen, mehr innere Sicherheit.
Neben vielen weiteren Punkten soll nicht zuletzt die Institutionen- und Legitimitäts-Krise der EU möglichst bis zu den Europawahlen im Jahr 2009 überwunden werden - anders ausgedrückt: Man will in den Mitgliedsstaaten, deren Bevölkerung die EU-Verfassung ablehnte, einen neuen Anlauf nehmen.
Mit einem Wort: Ein Mammutprogramm. Zwar hat die Opposition der großen Koalition zumindest rhetorisch ihre Unterstützung zugesagt, doch ist man sich in Regierungskreisen selbst nicht immer ganz einig. Das kam bei der Türkeifrage ans Licht, als der SPD-Außenminister seine CDU-Kanzlerin öffentlich zur Besonnenheit mahnte. Welche Erleichterung, dass die EU-Außenminister am vergangenen Montag in Brüssel den Konflikt entschärft - besser: auf die lange Bank geschoben - haben.
Für Österreich interessant: In der Europapolitik der großen Koalition zeichnet sich ein Umdenken in Richtung kleinere Mitgliedsstaaten ab. Denn zum einen ist ungewiss, wohin die Europapolitik der Italiener, Franzosen und Briten steuern wird; noch hat die Regierung Prodi zu wenig Profil gezeigt, Chirac und Blair sind gewissermaßen Staatschefs auf Abruf. Zum anderen ist durch die Erweiterung auf nunmehr 27 Mitglieder die Rolle der kleineren und (wirtschafts-)schwächeren Staaten gewachsen. Der unselige EU-Boykott gegen Österreich war daher auch Gegenstand der Bundestagsdebatte. Merkel hat die Rolle der kleineren Mitgliedsstaaten ausdrücklich hervorgehoben, was selbst von der Opposition als Signal eines Kurswechsels verstanden und begrüßt wurde.
Mit Portugal und Slowenien folgen in der Tat zwei Vertreter dieser Gruppe auf die deutsche Ratspräsidentschaft, die Merkel mit einem gemeinsamen Programm, der sogenannten Dreierpräsidentschaft praktisch unter ihre Fittiche genommen hat. Die Nachbarschaftspolitik - das neue Schlagwort in Europa - ist zudem auf die kleineren Staaten angewiesen, denn viele von ihnen bilden die neuen Außengrenzen der EU. Schließlich hat man erkannt, dass die Chancen evolvierender Märkte vor allem der deutschen Exportwirtschaft zugute kommen.