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Exil-Österreicher managen deutsche Top-Konzerne. | Die Mentalität als Erfolgsfaktor. | Manche kehren rasch wieder in die Heimat zurück. | Am 1. Juli tritt Brigitte Ederer in der Münchener Siemens-Zentrale ihren neuen Job an: Als Vorstandsdirektorin wird die bisherige Österreich-Generalin die Verantwortung für die 400.000 Mitarbeiter des Elektronik-Konzerns tragen und für den Cluster Central Eastern Europe zuständig sein. Die 54-jährige Ex-EU-Staatssekretärin und SPÖ-Bundesgeschäftsführerin steigt damit in die oberste Liga des deutschen Managements auf - und verstärkt das rot-weiß-rote Wunderteam, das im Nachbarland an wichtigen Schalthebeln der Wirtschaft sitzt.
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Der direkte Vorgesetzte der gebürtigen Floridsdorferin ist Villacher und hat nach seinen Studien in Wien, Hongkong und an der Harvard Business School eine Traumkarriere hingelegt: Der 52-jährige Peter Löscher brachte es nach Top-Positionen bei Aventis Pharma, General Electric und Merck & Co. Mitte 2007 zum Siemens-Vorstandsvorsitzenden. Er ist - ex aequo mit dem aus Oberösterreich stammenden Wolfgang Mayrhuber, seit sieben Jahren oberster Boss der Deutschen Lufthansa - ranghöchster Manager der Alpenrepublik beim großen Bruder.
Zugleich ist Löscher der mit Abstand Bestbezahlte: 2009 kam er auf einen Bruttobezug von 7,1 Millionen Euro, womit er das Salär des Airline-Chefs - 2,5 Millionen - deutlich in den Schatten stellte. Der Mann, der die AUA seinem Flieger-Imperium einverleibte, ist dafür der Längstdienende: Mayrhuber arbeitet seit vier Jahrzehnten für die Lufthansa. In Österreich, hat er einmal gesagt, könne man "nur König eines Maulwurfhügels werden".
Gebürtige Österreicher, die mehr wollten und nun bei deutschen Weltkonzernen an der Spitze stehen, sind traditionellerweise etwa bei VW zu finden. Der frühere Vorstandsvorsitzende und nunmehrige Aufsichtsratchef Ferdinand Piech, der bevorzugt in Salzburg lebt, hatte immer schon ein Faible für Landsleute und holte diese beinahe reihenweise nach Wolfsburg oder in die Audi-Zentrale Ingolstadt.
Ein guter Schmähals Karriere-Steigbügel
Dort war etwa der jetzige Magna-Steyr-Grande Herbert Demel drei Jahre lang die Nummer eins, ehe er nach Brasilien exportiert wurde. Heute ist der Oberösterreicher Hans Dieter Pötsch im Volkswagen-Headquarter als lang dienender Vorstandsdirektor für Finanzen und Controlling zuständig, und der gebürtige Innsbrucker Christian Klingler fungiert seit Anfang 2010 als der für den Vertrieb zuständige Konzernvorstand.
Beide waren immer bereit, im Ausland eine ungewöhnliche Karriere zu machen: Pötsch hatte sich nach seinem Studium an der TU Darmstadt bei BMW hochgedient, ehe er Vorstandschef der Stuttgarter Dürr AG wurde. Klingler, der Betriebswirtschaft in Innsbruck studierte, startete bei der Porsche Holding in Salzburg als Assistent der Geschäftsführung und bewährte sich bei Auslandseinsätzen in der Slowakei, den USA und Frankreich.
So wie vielen Österreichern, die es in Deutschland zu Traumjobs gebracht haben, kam ihnen die österreichische Mentalität - sprich: ein guter Schmäh - ebenso gelegen wie Flexibilität, Sensibilität Mitarbeitern gegenüber, die Kraft der Motivation, ein unverkrampfter Pragmatismus und die Abneigung vor brutalem Intrigantentum.
Solche Gaben haben in Verbindung mit dem offenbar angeborenen Talent fürs Netzwerken beispielsweise den kometenhaften Aufstieg des einstigen Pressesprechers von Fred Sinowatz und Franz Vranitzky und späteren ORF-Generalintendanten Gerhard Zeiler ermöglicht: Der heute 54-Jährige leitet mit der RTL Group Europas führenden Unterhaltungskonzern und steht für 5,4 Milliarden Euro Umsatz und 12.500 Mitarbeiter. Zum Portfolio seines Medienimperiums zählen Beteiligungen an 45 TV-Sendern und 31 Radiostationen.
Obzwar ihre Top-Gagen zuletzt meist drastisch sanken - so bezog VW-Vorstand Pötsch im Vorjahr zum Beispiel um sechs Millionen Euro weniger als 2008 (siehe Tabelle) -, verdienen die rot-weiß-roten Konzernlenker in der Regel weitaus mehr als Spitzenleute in Österreichs Chefetagen: Der gebürtige Linzer Paul Achleitner, früher bei Goldman Sachs engagiert und seit zehn Jahren Vorstandsmitglied beim Versicherungskonzern Allianz, bezog zuletzt immer noch 3,8 Millionen Euro.
Georg Pachta-Reyhofen hingegen, neuerdings Vorstandssprecher des auf Lkw und Busse spezialisierten MAN-Konzerns in München, musste sich im Vorjahr mit etwas mehr als einer Million Euro begnügen. 2008 hatte er dank variabler Bar-Tantiemen und einer großzügigen Aktien-Tantieme noch 2,5 Millionen kassieren dürfen.
Der studierte Maschinenbauer hatte sich ab 1986 bei der Wiener ÖAF Gräf und Stift hochgedient, etliche Jahre in Ankara und Nürnberg verbracht, und Mitte 2001 zog er schließlich als Technikvorstand in die MAN-Chefetage ein.
Die langjährige Firmentreue wurde ebenso belohnt wie bei Henkel-Vorstand Friedrich Stara, der schon seit 34 Jahren für den Waschmittelgiganten werkt. Der einstige Produktmanager leitete in den Neunzigerjahren Henkel Austria, wurde dann Präsident von Henkel Central Eastern Europe und schaffte 2005 den Sprung in die Konzernzentrale nach Düsseldorf, wo Österreicher immer schon gefragt waren.
Manche scheitern -und kehren zurück
Manche Exil-Österreicher schaffen es allerdings nicht. Ihnen geht es so wie diversen Austro-Kickern, die sich in der Bundesliga nicht durchsetzen können. Das Leben im deutschen Topmanagement ist nämlich beinhart - bisweilen so aufreibend, dass manche Ösis gerne wieder in die Heimat zurückkehren.
Der einstige ÖBB-Manager Thomas Necker etwa, von 2004 bis 2009 Technik-Vorstand der Berliner Verkehrsbetriebe, wechselte, nachdem sein Vertrag nicht verlängert wurde, zur rot-weiß-roten Asfinag, bei der er mit Jahresbeginn einen Geschäftsführerposten bei einer Tochterfirma erhielt.
Shooting-Star sprangüberraschend ab
Der gebürtige Steirer und Ex-T-Mobile-Boss Georg Pölzl etwa, der bei der Deutschen Telekom zwei Jahre lang den brutalen Sparmeister spielen hatte müssen, entschied sich 2009 liebend gern für den weniger attraktiven Sessel des Post-Generals in Wien.
Im vergangenen März empfahl sich auch Christopher Schläffer von der Deutschen Telekom: Der 40-jährige Salzburger hatte es in fast zwölf Jahren zum Chief Production & Innovation Officer gebracht und galt firmenintern als Shooting-Star. Sein Ausscheiden soll auf eigenen Wunsch erfolgt sein - welche Herausforderung er annimmt, steht noch nicht fest.
Aus gesundheitlichen Gründen warf hingegen Gerhard Sandler das Handtuch: Der langjährige Österreich-Chef der Elektronik-Kette MediaMarkt/Saturn war erst Anfang 2008 ins Headquarter nach Ingolstadt übersiedelt. Als Chief Operating Officer war er für Österreich, Italien und die Schweiz zuständig.
Einen Abgang nach nur neuneinhalb Monaten legte der gebürtige Vorarlberger Martin Lenz bei Neckermann hin. Nach einer abwechslungsreichen Karriere in der Heimat - mit Stationen wie Wolford, Quelle, Lenzing oder Rewe Austria - schaffte er im März 2008 den Sprung zum Vorsitzenden der Geschäftsführung des angeschlagenen Frankfurter Versandriesen. Im Dezember selbigen Jahres war Lenz allerdings schon wieder Geschichte. Seither hat der demnächst 60-Jährige von Vorstandsjobs genug und betätigt sich im Beratergeschäft.