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Neues Unterhaltsrecht in Deutschland bedeutet Abkehr von der Versorgungsehe. | Uneheliche Kinder werden ehelichen gleichgestellt. | Berlin. Eine Revolution verbirgt sich hinter der Aktenzahl 1 BvL 9/04 des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007. Darin teilt das Höchstgericht in Karlsruhe mit, dass es gegen das Grundgesetz verstößt, die Dauer eines Unterhaltsanspruchs "für eheliche und nichteheliche Kinder unterschiedlich zu bestimmen". Das heißt: Ob verheiratet oder nicht, der Unterhaltspflichtige muss gleich lange zahlen.
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Bisher musste ein geschiedener Ehepartner bis zu acht Jahre lang nicht nur für das Kind, sondern auch für den Ex-Partner aufkommen, bei dem das Kind lebte, wenn dieser keiner eigenen Erwerbstätigkeit nachging. Die Faustregel, an der sich Familienrichter, Anwälte und Eltern orientieren konnten, lautete: Der betreuende Elternteil darf nach einer Scheidung bis zum achten Geburtstag des jüngsten Kindes zu Hause zu bleiben. Bis zum 15. Geburtstag des Kindes galt ein Teilzeitjob als angemessen, erst danach konnten die Alimente niedriger werden oder ganz ausfallen.
Anders war es bei einer Lebensgemeinschaft. Nach einer Trennung musste der Unterhaltspflichtige für den betreuenden Elternteil nur so lange Unterhalt zahlen, bis das gemeinsame Kind drei Jahre alt war.
Gegen diese Ungleichbehandlung wurde Verfassungsbeschwerde erhoben, das Gesetz in Folge von den Karlsruher Richtern gekippt. Die Novelle ist am 1. Jänner 2008 in Kraft getreten.
Proteste von Kirche und Frauenverbänden
Die einheitliche Zahlungspflicht wurde nicht auf dem höheren, sondern dem niedrigeren Level hergestellt. Dagegen waren sowohl die Frauenverbände als auch die christlichen Kirchen Sturm gelaufen. Witterten die einen eine eklatante Benachteiligung geschiedener Frauen, so befürchteten die anderen eine weitere Entwertung von Ehe und Familie.
Nun jubeln die geschiedenen Väter, verlassene Ehefrauen geraten in Panik. Die Familiengerichte wappnen sich vor einer Flut von Unterhaltsprozessen.
Dennoch scheinen Hoffnungen wie Ängste verfrüht: In den neuen Regelungen wimmelt es nämlich nur so von unbestimmten Rechtsbegriffen wie "angemessen", "unbillig" etc. Ob es tatsächlich zur angekündigten Revolution kommt, wird wohl erst die Rechtssprechung der nächsten Monate und Jahre zeigen.
Schluss mit der Hausfrauen-Ehe
Der eigentliche Sprengstoff liegt im Paragrafen 1569 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dort hieß es nämlich bisher: "Kann ein Ehegatte nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen, so hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt..."
Bei der Neufassung beachte man den Paradigmenwechsel: "Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen." Nur wenn er - in der Regel sie - dazu außerstande ist, besteht ein Anspruch auf Unterhalt.
Das ist die juristische Umschreibung für das Ende der "Versorgungs- oder Hausfrauen-Ehe", bei der in der Regel der Mann für das Geld und die Frau für die Kinder und den Haushalt sorgte.
Die Reform geht von der Annahme aus, dass man dem betreuenden Elternteil in den ersten drei Lebensjahren des Kindes eine eigene Erwerbstätigkeit nicht zumuten könne, wohl aber danach.
Ob die unter Alimenten stöhnenden Expartner nun aufatmen dürfen, hängt beispielsweise davon ab, ob der Alleinerzieher einen Kindergartenplatz für das Kind findet. Auch könnten in der geschiedenen Ehe Dinge passiert sein, die den betreuenden Teil daran hinderten, sich einen eigenen Job zu suchen. Und selbst die Dauer der Ehe wirkt sich auf die Zahlungsverpflichtungen aus.
Die Bedürfnisse des Kindes haben Vorrang
Bei der Verteilung der Unterhaltsansprüche nach der Trennung der Eltern stehen Kinder künftig an erster Stelle, noch vor den Ansprüchen des geschiedenen Ehepartners. Gewinner der Reform sind auch unverheiratete Frauen. Künftig spielt es beim Betreuungsunterhalt - das ist der Unterhalt, der an den betreuenden Elternteil gezahlt wird - keine Rolle mehr, ob die Eltern verheiratet waren oder nicht.
Da die Kinder und ihr Existenzminimum künftig Vorrang haben, können geschiedene Ehepartner nun leer ausgehen, wenn der Selbstbehalt des verdienenden Expartners gefährdet wird. Das Kindergeld wird bei Minderjährigen zur Hälfte und bei Volljährigen ganz angerechnet.
Damit wird ein Stück gesellschaftlicher Realität nachgezeichnet: Jedes dritte Kind wird in einer nicht-ehelichen Gemeinschaft geboren, jede dritte Ehe wird geschieden. Zweit- und Drittfamilien leiden oft jahrelang unter der finanziellen Bevorzugung der ersten Ehe.
Unterhaltspflichtige mit einem 1500-Euro-Monats-Nettoeinkommen müssen künftig 202 Euro für ein bis zu fünf Jahre altes Kind zahlen. Bei mehr als 4700 Euro Nettoeinkommen sind es 370 Euro. Ab 5101 Euro Monatseinkommen wird individuell entschieden.
Auch auf die Verfassungsrichter, die die alte Regelung beanstandet hatten, kommt neue Arbeit zu: Eine 36-jährige Frau aus Nordrhein-Westfalen legte Verfassungsbeschwerde ein. Die Mutter von zwei minderjährigen Söhnen will sich nach 17 Jahren Ehe scheiden lassen.
Nach dem neuen Recht würde die Frau, die Teilzeit arbeitet, zwar noch Unterhalt für die Kinder bekommen, selbst aber kein Geld mehr. Nach der alten Regelung hätten ihr pro Monat noch knapp 400 Euro zugestanden. Der Anwalt der Klägerin sieht darin eine schwere Benachteiligung. "Wenn Mütter eine Vollzeitstelle annehmen müssen, weil sie keinen Unterhaltsanspruch haben, verletzt dies die Grundrechte des Kindes auf elterliche Betreuung".
Wissen: Unterhalt in Österreich
In Österreich wird im Unterhaltsrecht kein Unterschied zwischen ehelichen und unehelichen Kindern gemacht. Nach Scheidung bzw. Trennung hat das Kind Anspruch auf Unterhalt in Geldform gegenüber dem Elternteil, mit dem es nicht im selben Haushalt lebt.
Auch gegenüber dem Ehepartner können nach der Scheidung Unterhaltspflichten bestehen - ob und in welcher Höhe hängt von den Scheidungsgründen ab. Insbesondere spielt das Verschulden am Scheitern der Ehe eine Rolle.
Der Lebensgefährte hat in Österreich hingegen keinen Unterhaltsanspruch gegen den Partner, außer es wurden Unterhaltszahlungen vertraglich vereinbart.