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Manchmal passiert einem das: Man schaltet den Fernseher ein, ein Film läuft, und man denkt, das ist etwas Spezielles, so etwas sieht man nicht alle Tage. Mir ging es am vergangenen Donnerstag so: Beim Zappen stieß ich auf "Deckname Dennis", eine so genannte "Doku-Soap" auf SWR. Als ich zu schauen begann, lief gerade die folgende Szene: Eine Dame stand am Katheder und hielt einen äußerst langweiligen und vollkommen unverständlichen Vortrag über ein linguistisches Thema. Im Publikum saßen viele ältere Menschen, die sich beflissen bemühten, mitzuschreiben.
Dieser Szene folgten weitere, bei denen nicht immer klar war, ob sie gestellt oder aus dem wirklichen Leben gegriffen waren. Sicher war aber, dass der absurd amüsante Film eine Reise durch alle möglichen Sonderlings-Szenerien Deutschlands beschrieb: Vier Herren behaupteten unabhängig voneinander, die weltgrößte Kuckucksuhr gebaut zu haben, der Leiter eines Zwergen-Museums erklärte, dass sich das deutsche Wesen nirgends reiner darstelle als im Gartenzwerg. Etwas heroischere, aber keineswegs sympathische Ideen vom Deutschtum entwickelten rechtsradikale und andere Sektierer.
Als Interviewer trat Dennis auf, ein korpulenter Amerikaner mit Baseballmütze und Holzfällerhemd. Seine Rolle war bedeutsam, denn er wanderte mit erstaunten Augen durch das Panoptikum deutscher Wunderlichkeiten. Und dieses Befremden übertrug sich zunehmend auf den Zuschauer, oder jedenfalls: auf mich. Am Ende des Films erschien mir Deutschland wie eine durchaus exotische Provinz.