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Nachbesserungen sollen noch vor den Wahlen im September erfolgen. | Merkel und Barroso sind mit dem Urteil zufrieden. | Karlsruhe/Brüssel. Der Lissabonner Vertrag hat am Dienstag eine weitere Hürde genommen: Das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe urteilte, dass er mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist. Die internen Mitwirkungsrechte des Bundestags an manchen künftigen Entscheidungen der deutschen Regierung auf EU-Ebene müssten jedoch nachjustiert werden, bevor die Ratifizierung in Deutschland abgeschlossen wird.
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Die Unterschrift von Präsident Horst Köhler und die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde verzögern sich dadurch zwar weiter. Die Bundesregierung gab jedoch umgehend bekannt, dass die Nachbesserung der Umsetzungsgesetze noch vor den deutschen Wahlen am 27. September durchgezogen werden soll. Der Bundestag und die Koalitionsfraktionen (CDU/CSU und SPD) hätten bereits zugesagt, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Eine Sondersitzung wurde schon während der Sommerpause des Parlaments am 26. August angesetzt, am 8. September soll das abschließende Votum stattfinden. Dabei geht es nicht mehr um den EU-Vertrag selbst. Die Regierung muss nur noch gesetzlich verpflichtet werden, sich stets den Sanktus des Bundestags zu holen, bevor sie EU-Entscheidungen laut Lissabon zustimmt, die Kompetenzen der Union ausweiten würden.
"Das Grundgesetz sagt Ja zu Lissabon, verlangt aber auf nationaler Ebene eine Stärkung der parlamentarischen Integrationsverantwortung", fasste BVG-Vizepräsident Andreas Voßkuhle das Urteil in einem Satz zusammen. Denn zusätzlich zur Stärkung des EU-Parlaments durch den neuen Vertrag sei für die demokratische Legitimation von Entscheidungen in gewissen Fällen auch die Befassung des Bundestags nötig.
Eindeutig sei, dass es sich beim Lissabonner Vertrag "nicht um den versteckten Beitritt zu einem EU-Bundesstaat handelt", was dem deutschen Grundgesetz entgegengestanden wäre. Die EU bleibe eine "supranationale Organisation, die vom Staatswillen souveräner Nationen getragen" werde. Sich selbst stärkte der BVG, indem er seine "verfassungsrechtlich gebotene Kontrollkompetenz" über EU-Gesetze durch das neue Regelwerk "nicht berührt" sieht.
Die Kläger - darunter der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler und die Linke unter Oskar Lafontaine - hatten im Wesentlichen das Ende der Staatlichkeit Deutschlands und der Demokratie angeprangert. Doch "Vorurteile und eindeutiges politisches Vorverständnis hat das Gericht nicht zu beurteilen", stellte Voßkuhle klar.
"Keine Verzögerungen"
Merkel sprach von einem "guten Tag für den Lissabonner Vertrag". Wie sie erwartete auch Carl Bildt, Außenminister des seit heute, Mittwoch, amtierenden EU-Vorsitzlandes Schweden, keine Verzögerungen für den Vertrag durch das Urteil des BVG. Auch Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zeigte sich "zuversichtlich, dass wir den Prozess der Ratifizierung bis zum Herbst in allen EU-Ländern abschließen können." Doch die Hürden bis dahin liegen nicht vor allem in Deutschland: Erst müssen die Iren dem neuen Regelwerk noch bei einem Referendum zustimmen, das für 2. Oktober erwartet wird. Dafür stehen die Umfragen zwar gut, doch wie schon im Vorfeld des gescheiterten ersten Anlaufs vor einem Jahr fällt der irische EU-Kommissar Charlie McCreevy wenig konstruktiv auf: In fast allen Mitgliedsstaaten würde ein Referendum über den Lissabonner Vertrag wohl negativ ausgehen, meinte er.
Zudem fehlen neben der Unterschrift des deutschen Präsidenten Köhler noch jene seiner Kollegen aus Polen und Tschechien, Lech Kaczynski und Vaclav Klaus. Beide wollen die letzten sein, die dem Vertrag zustimmen und auf jeden Fall noch das Referendum in Irland abwarten.