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Deutscher Zuwanderungsstreit behindert Flüchtlingskonsens

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Brüssel - Die EU-Innenminister hatten Donnerstag ein wichtiges Thema auf der Tagesordnung: Sie debattierten über gemeinsame Regeln zur Anerkennung von Flüchtlingen. Bis Ende Juni sollen diese stehen. Die Chancen dafür stehen aber nicht gut - denn Deutschland steckt mitten in der Debatte um ein neues Zuwanderungsgesetz. Das im März 2002 beschlossene war im Dezember vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben worden.


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Der deutsche Innenminister Otto Schily ist in der Zwickmühle: Auf der einen Seite wollen die CDU/CSU-regierten Bundesländer, ohne deren Zustimmung im Bundesrat kein neues Gesetz verabschiedet werden kann, zum Teil noch schärfere Bestimmungen; auf der anderen Seite nehmen die EU-Partner in einigen Fragen eine liberalere Haltung ein. Umstritten ist u.a. die Anerkennung nicht-staatlicher Verfolgung, etwa wenn ein Kolumbianer vor der Drogen-Mafia flüchtet.

Angesichts seiner prekären Lage fand Schily vor der Sitzung der EU-Innenminister denn auch harte Worte: Deutschland bestehe auf einer restriktiven Haltung bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Die rechtlichen Bestimmungen müssten so gestaltet werden, dass die Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten erhalten bleibe. "Wir haben alle ein Problem", wies Schily die Worte des griechischen EU-Botschafters zurück, wonach "wir mit Deutschland ein großes Problem haben." Gleichzeitig forderte er die anderen Staaten auf, sich zu bewegen, damit bis Sommer eine Lösung gefunden werden könne. Fortschritte konnten bei den gestrigen Beratungen keine erzielt werden. Deutschland sei aber "selbstverständlich interessiert", dass die Richtlinien zur Anerkennung von Flüchtlingen und zur Familienzusammenführung verabschiedet werden, so Schily.

Strasser: Annäherung beim "Familien-Nachzug"

Gerade beim letzten Punkt seien sich die Innenminister am Donnerstag näher gekommen, erläuterte Österreichs Vertreter Ernst Strasser in Brüssel den Zwischenstand der Sitzung. Dabei geht es um die Nachzugsbedingungen für Familienangehörige eines Nicht-EU-Bürgers, der legal in einem Mitgliedsstaat lebt. Österreich habe sich damit durchsetzen können, die Familienangehörigen auf die "Kernfamilie" (Eltern und minderjährige Kinder) zu beschränken und den Zuzug mittels Quotensystem zu regeln, erklärte der Innenminister. Aus Österreichs Sicht solle der Zugang der Nachzügler zu Arbeit von der Lage am Arbeitsmarkt abhängig gemacht werden.

Weiteres Thema am Donnerstag: Die Sicherung der Schengen-Außengrenzen, bei der sich Strasser für "penible", aber "praktikable" Kontrollen aussprach, und die Aufteilung der Lasten dafür - ein Anliegen von Österreich, Deutschland und Italien. Strasser forderte "eine Europäisierung der Außengrenzen". Schlagend könnte die Flüchtlingsproblematik im Fall eines Irak-Krieges bald werden. Strasser sprach sich dafür aus, Hilfe in der Region, etwa durch Auffanglager im Iran und in der Türkei zu bieten.