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Deutschklassen bleiben sitzen

Von Vilja Schiretz

Politik

Die ÖVP nennt eine gerade erst veröffentlichte Evaluierung veraltet. Für die Autorinnen ist das nicht nachvollziehbar.


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Für den ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner sind die Ergebnisse schon nicht mehr aktuell und Bildungsminister Martin Polaschek will am System festhalten. Seit 2020 ließ sein Ressort die 2018 eingeführten Deutschförderklassen evaluieren, am Montag veröffentlichte die "Kronen Zeitung" erste Ergebnisse. Ein gutes Zeugnis bekommen die als Integrationsmaßnahme zum schnellen Spracherwerb angepriesenen Deutschklassen dabei nicht ausgestellt. In der ÖVP sieht man dennoch keinen Bedarf nach einer grundlegenden Reform. Deutschförderklassen seien das "beste Mittel" für einen schnellen Spracherwerb, meinte Polaschek und stellte gleichzeitig 10 Millionen Euro an zusätzlicher Förderung für die Deutschklassen in Aussicht.

Zu Beginn der Befragung seien die Rahmenbedingungen noch andere gewesen, meint Taschner vor allem im Hinblick auf die Pandemie und auf die tausenden ukrainischen Schüler, die seit dem Einmarsch Russlands in ihr Heimatland im Februar im österreichischen Schulsystem Fuß fassen sollen. Die Evaluierung, befindet der türkise Bildungssprecher, sei also schon am Tag der - mit Ministerium und Studienautorinnen nicht abgesprochenen - Veröffentlichung "veraltet".

90 Prozent sehen Verbesserungsbedarf

Wie die "Krone" berichtet, wurden im Zuge der Evaluierung knapp 700 Direktoren und Lehrkräfte an rund 200 Schulstandorten zu der Implementierung der Deutschförderklassen befragt. 90 Prozent sahen demnach Optimierungsbedarf beim derzeitigen Modell. 21 bis 55 Prozent der Schüler erreichen laut diesen Angeben die sprachbezogenen Ziele nicht, besser bewertet wurde immerhin das Erlangen von sozialen Kompetenzen.

Eingeführt wurden die Deutschklassen 2018 von Türkis-Blau. Schüler, deren Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um dem Regelunterricht zu folgen, lernen seither als außerordentliche Schüler in separaten Klassen, nur in Gegenständen wie Turnen oder Zeichnen werden sie gemeinsam mit einer Regelklasse unterrichtet. Maximal vier Semester in einer Förderklasse sind vorgesehen, dann erfolgt ein automatischer Wechsel in den Regelunterricht, Benotung in allen Fächern inklusive. Kritisiert wurde die Maßnahme von Beginn an, Experten warnten, dass eine weitgehende Trennung von deutschsprachigen Schülern den Spracherwerb eher hindern als fördern würde. Einige Schulen, besonders in Wien, sträubten sich gegen das Modell und forderten mehr Autonomie.

Aber auch im türkis-grünen Regierungsprogramm sind die Deutschklassen verankert. Diese sollen laufend wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden, heißt es auf Seite 202, basierend darauf werden "allfällig notwendige Maßnahmen zur Qualitäts- und Effizienzsicherung beschlossen". In diesem Sinne gaben die beiden Autorinnen der nun öffentlich gewordenen Evaluierung, Christiane Spiel und Vera Popper, eine Reihe von Empfehlungen aus, wie die Klassen verbessert werden könnten. Sie raten dem Bildungsministerium, den Schulen mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Deutschförderung einzuräumen, auch der Wechsel in den Status von ordentlichen Schülern und Schülerinnen soll flexibler gehandhabt werden.

Für sinnvoll erachten die Forscherinnen auch eine Reform des sogenannten "Mika-D"-Tests, anhand dessen festgestellt wird, ob die Deutschkenntnisse für den Unterricht in einer Regelklasse ausreichen. Außerdem soll der ordentliche oder außerordentliche Status eines Schülers nicht alleine am Testergebnis festgemacht werden, auch die Einschätzung der Lehrer soll in die Entscheidung einfließen, sagt Spiel zur "Wiener Zeitung".

Expertin hofft weiterhin auf Reform

Darüber hinaus empfehlen Spiel und Popper, dass der Unterricht in Deutschförderklassen nur durch Lehrpersonen erfolgt, die über eine entsprechende Ausbildung verfügen, um Deutsch als Fremdsprache unterrichten zu können.

Dass die Ergebnisse und Empfehlungen nun schon wieder - wie von Taschner behauptet - veraltet sein sollen, kann Spiel "überhaupt nicht nachvollziehen". Die Befragungen seien vor dem Sommer 2022 durchgeführt worden, also lange, nachdem die Corona-Pandemie Schulklassen erstmals ins Distance Learning gezwungen hatte.

Was sich in Bezug auf Corona seither geändert haben sollte, ist für Spiel nicht nachvollziehbar. Und der Zustrom von Geflüchteten aus der Ukraine mache es nur "umso wichtiger, dass man die Deutschförderklassen optimiert". Es bleibt also bei den Empfehlungen der Expertinnen. Spiel hofft weiterhin auf eine Umsetzung durch das Bildungsministerium. Ob die eigens in Auftrag gegebene Evaluierung der Ausgangspunkt für eine Reform der Deutschförderung sein soll, ließ das zuständige Ministerium von Martin Polaschek allerdings schon im Vorfeld offen.

Es zeichnete sich auch bereits im Vorfeld ab, dass die Deutschklassen die Evaluierung nicht mit ausgezeichnetem Erfolg bestehen würden. Im Juni dieses Jahres antwortete das Bildungsministerium auf eine parlamentarische Anfrage der Neos, dass nur rund die Hälfte der geförderten Schüler nach drei von maximal vier Semestern in den Deutschklassen bereit für einen Wechsel in den Regelunterricht sei. Die türkis-blaue Hoffnung auf einen schnelleren Spracherwerb dürften sich in der Praxis nicht erfüllt haben. Polaschek sagt dennoch: "Die Deutschförderklassen bleiben das beste Mittel!"