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Deutschland: Als aus den Zivis Bufdis wurden

Von Katharina Schmidt

Politik

Zivildienst-Ersatz in Deutschland seit 2011 - Erfahrungen durchwachsen.


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Wien. Wie so oft hat Deutschland es schon vorgemacht. Sollte Österreich die Wehrpflicht und damit den Zivildienst abschaffen, so kann das Land auch in diesem Fall auf die Erfahrungen des großen Nachbarn zurückgreifen.

Denn in Deutschland wurde die allgemeine Wehrpflicht bereits im Juli 2011 ausgesetzt - und gleichzeitig der Zivildienst durch den Bundesfreiwilligendienst (BFD) ersetzt. Die Voraussetzungen für diesen Dienst unterscheiden sich von jenen für den alten Zivildienst in einigen entscheidenden Punkten. So kann ein Bufdi, wie die neuen Zivis heißen, jeder werden, der älter als 16 (in manchen Bundesländern 15 Jahre) alt ist, nach oben hin sind keine Grenzen gesetzt. Außerdem steht der Dienst, der im Gegensatz zum Freiwilligen Sozialen Jahr nur im Inland absolviert werden kann, auch Frauen offen. Die Einsatzmöglichkeiten entsprechen jenen des alten Zivildienstes: In erster Linie kann der BFD bei den unterschiedlichen Sozialdienst-Trägern wie Caritas oder Rotem Kreuz abgeleistet werden. Ein weiterer Unterschied zum Zivildienst besteht darin, dass man zwar in der Regel einen Vertrag für zwölf Monate abschließt, diesen allerdings auch vor Ablauf der vollen Dauer kündigen kann -zum Beispiel, weil man mit dem Dienst nur die Wartezeit auf einen Studienplatz überbrückt hat. Der Dienst ist in der Regel auf 40 Wochenstunden ausgelegt, Über-27-Jährige können aber auch eine Teilzeitregelung in Anspruch nehmen.

Mit all diesen Vereinfachungen wollte die deutsche Bundesregierung den BFD möglichst vielen schmackhaft machen. Dieser Plan ist nach einem zunächst schleppenden Anmeldestart auch recht gut aufgegangen: Insgesamt werden 35.000 Stellen vom Bund finanziert, im August war das Kontingent mit mehr als 30.000 Bufdis annähernd ausgeschöpft. Laut einer aktuellen Studie der Hertie School of Governance, in deren Rahmen das erste Jahr evaluiert wurde, ist ein Drittel der Freiwilligen älter als 27 Jahre. Im Herbst 2011 waren noch 57 Prozent der Teilnehmer männlich -die Studienautoren gehen davon aus, dass viele junge Männer zu Beginn och ein Zivildienstjahr in ihre Lebensplanung eingerechnet hatten.

Seitens des Familienministeriums zeigt man sich jedenfalls voll de Lobes für das neue Modell: Erst vergangene Woche feierte Ressortchefin Kristina Schröder (CDU) gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel den Wechsel vom ersten zum zweiten Bufdi-Jahrgang. Schröder sprach von einem "historischen Rekord" an Freiwilligen. Laut Ministerium gab es 2011 insgesamt 80.000 Freiwillige in Deutschland - diese Zahl entspricht jener der Zivildiener 2010, im letzten vollen Jahr der Wehrpflicht. Auf Anfrage der "Wiener Zeitung" heißt es aus dem Familienministerium, dass man sehr wohl an einer Ausweitung interessiert wäre. Allerdings sind die "im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel - wie bei jedem Programm - begrenzt und inzwischen ausgeschöpft". Der Ball liege nun beim Parlament als Haushaltsgesetzgeber.

336 Euro als Entlohnung

Laut einem Bericht von "Spiegel Online" gab der Staat 2010 allerdings 631 Millionen Euro für den Zivildienst aus, die Freiwilligendienste würden indes nur mit 350 Millionen Euro gefördert. Kein Wunder, erhalten die Bufdis - anders, als es in Österreich Sozialminister Rudolf Hundstorfer plant - doch nur eine Aufwandsentschädigung in der Höhe von maximal 336 Euro im Monat. Laut "Spiegel" fordern jetzt die Freiwilligendienstleistenden zumindest eine gesetzliche Regelung für die Fahrtkostenzuschüsse.

Die Autoren der Hertie-Studie empfehlen eine klarere Abgrenzung des BFD zu klassischer ehrenamtlicher Tätigkeit auf der einen und Erwerbsarbeit auf der anderen Seite. Zudem fehlt es an "ausreichender gesellschaftlicher Anerkennung" für die Bufdis.