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Deutschland bleibt auf Distanz

Von Alexander Dworzak

Politik
Bloß nicht setzen, gilt nicht nur für Touristen im Ferienort Timmendorfer Strand an der Ostsee.
© reuters/Bimmer

Abstand halten und Kontakte einschränken, lautet bis mindestens 3. Mai die Devise. Grenzkontrollen werden verlängert.


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Die Entwürfe und Beschlussvorlagen gingen zwischen Berlin und den Landeshauptstädten hin und her, begleitet von ständigen Videokonferenzen. Groß war in den vergangenen Tagen der Abstimmungsbedarf innerhalb der deutschen Bundesregierung sowie zwischen dem Kanzleramt und den 16 Landesregierungen. Naht doch der Sonntag und damit das geplante Enddatum der Corona-Maßnahmen. Das Kabinett aus konservativer Union und SPD dämpfte jedoch die Erwartungen: Nur "in kleinen Schritten" solle daran gearbeitet werden, "das öffentliche Leben wieder zu beginnen, den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr Freizügigkeit zu ermöglichen und die gestörten Wertschöpfungsketten wiederherzustellen".

Keinerlei Lockerung gibt es wohl bei den Abstandsregeln und der Einschränkung der Kontakte. Weitere zwei Wochen, bis inklusive 3. Mai, sollen die Bürger mindestens eineinhalb Meter Distanz in der Öffentlichkeit halten. Dort sollen sie sich nur alleine, mit Personen, die in ihrem Haushalt leben, oder nur einer haushaltfremden Person aufhalten. Diese Regelung wurde vom Chef des Kanzleramtes, Helge Braun, und den Staatskanzleichefs der Bundesländer vorbereitet, bevor am Mittwoch Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten darüber konferierten.

Geschäfte bis 800 Quadratmeter Verkaufsfläche sollen öffnen

Die kommenden beiden Wochen wollen Bund und Länder nutzen, um drei Ziele voranzutreiben: In Krankenhäusern soll die Kapazität an Intensivbetten weiter ausgebaut werden. Hier liegt Deutschland im internationalen Vergleich bereits jetzt sehr gut, laut OECD stehen 33,3 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner zur Verfügung und damit mehr als in Österreich mit 28,9. Weiters will Deutschland seine Corona-Testkapazitäten steigern. Seit März wurden mehr als eine Million Tests durchgeführt, die tägliche Testkapazität wurde auf 100.000 pro Tag erhöht - das Zehnfache des österreichischen Wertes bei zehn Mal so vielen Einwohnern. Zudem möchte Deutschland die Tests zielgenauer einsetzen. Mehr als 127.000 Personen sind bisher positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden, das ist der vierthöchste Wert weltweit, 3254 Menschen sind bisher gestorben.

Neben den Restriktionen zum Erreichen dieser Ziele gibt es aber auch Zeichen der Entspannung: Alle Geschäfte bis zu 800 Quadratmetern Verkaufsfläche sollen wieder öffnen, ebenso wie Buchhandlungen, Möbelgeschäfte sowie Kfz- und Fahrradhändler. Wann, ist allerdings noch Verhandlungssache. In dem von Kanzleramt und Staatskanzleien akkordierten Papier ist auch von "Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen" die Rede.

Hinter dem Begriff der Hygieneauflagen versteckt sich die Diskussion über eine Maskenpflicht. Unter den Ministerpräsidenten gilt Bayerns Markus Söder als größter Befürworter. Sein Credo lautet, "vorsichtige Erleichterungen könne es nur mit zusätzlichem Schutz geben". Dem Vernehmen nach wollen Bund und Länder in öffentlichen Verkehrsmitteln und im Einzelhandel den Mund- und Nasenschutz "dringend" empfehlen, Tragepflicht soll aber nicht bestehen.

Zuerst Rückkehr von Schülern vor Abschlussprüfungen

Söders Plädoyer für Masken beruht auch auf der hohen Covid-19-Fallzahl in Bayern. Mehr als 34.000 Personen wurden positiv getestet, so viele wie in keinem anderen deutschen Bundesland. Andere Ministerpräsidenten sind wenig erpicht auf die Maskenpflicht. Theoretisch könnte jeder von ihnen einen eigenen Weg beschreiten, der Infektionsschutz ist nämlich Ländersache. Noch-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer warnt jedoch vor einem "Flickenteppich" an Regelungen, der Bürgern nicht zu vermitteln sei.

Schwierig gestaltet sich auch die Diskussion, wann Ganztagskindergärten, Schulen, Universitäten und Fachhochschulen wieder öffnen sollen - und für welche Jahrgänge. Schüler, die vor der Abschlussprüfung stehen, sollten zuerst wieder an die Schulen zurückkehren, lautet die Linie der Kultusminister der Länder. Die Bundesregierung schlägt den Schulbeginn ab 4. Mai vor. Schwierig ist die Abstimmung unter den Ländern auch wegen der weit auseinanderliegenden Sommerferien. Sie beginnen etwa in Hessen am 6. Juli, in Baden-Württemberg erst am 30. Juli. Gegen eine schnelle Öffnung der Kindergärten sprachen sich Forscher der Wissenschaftsakademie Leopoldina aus, sie plädieren nur für einen Notbetrieb bis zu den Sommerferien.

Fix ist der 4. Mai, und zwar als neuer Stichtag für die Grenzkontrollen Deutschlands zu Österreich, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark. Bis dahin werden auch die Kontrollen für Flugreisende aus Italien und Spanien verlängert. Seit vergangener Woche müssen Personen, die nach Deutschland einreisen, für 14 Tage in Quarantäne, sofern nicht Ausnahmen wie bei Berufen im Gesundheitssektor gelten.