Deutsche wollen den Vorsprung der Japaner aufholen. | Anlass ist der Erfolg von Toyotas Hybridwagen Prius. |
§§"Wiener Zeitung": Derzeit scheint es viel Begeisterung fürs Elektroauto zu geben . | Martin Winter:* ... man muss das durchaus nüchtern betrachten.
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Wieviel Wirklichkeit steht dahinter?
Lange spielte Elektromobilität keine Rolle. Es wurde nichts gefördert und wenig gemacht. Es gibt sehr wenige im deutschsprachigen Raum, die lückenlos in den vergangenen etwa 20 Jahren an diesen Themen gearbeitet haben. Wir waren weniger als eine Handvoll Leute. Bis auf wenige Einzelprojekte geht das große Forschungsprogramm, die praktische Forschung erst in diesem Jahr richtig los.
Deutschland hat immer auf Diesel gesetzt. Wenn man allein die Sparsamkeit der Motoren und den Ausstoß von Kohlendioxid anschaut, dann spielen Dieselmotoren in der gleichen Liga wie Hybridmotoren. Gerade wenn der Strom aus Kohlekraftwerken kommt, wird auch mit Rein-Elektrofahrzeugen nicht viel CO2 eingespart. Erneuerbare Energien würden das Bild aber massiv umkehren. Dann ist der Elektroantrieb wirklich attraktiv!
Nun hat Toyota gezeigt, dass es mit Hybridmotoren geht, der Prius ist ein Erfolg. Und auch die ersten Elektrofahrzeuge kommen auf die Märkte. Die großen Märkte sind dabei in Asien, denn hier gibt es zum einen eine große Batterieindustrie, zum anderen sehr viele Ballungsgebiete, wo der emissionsfreie Batterieantrieb die Lebensqualität verbessern kann. Deutschland will sich hier positionieren und es wurden zahlreiche wichtige Projekte gestartet. Man muss den Erfolg aber letztlich an den Resultaten messen.
Hat die deutsche Automobilindustrie geschlafen?
Niemand hatte vorhersehen können, dass Toyota mit den Hybriden solche Erfolge erzielt und heute hecheln wir leider hinterher. Aber morgen haben wir aufgeholt und übermorgen vielleicht sogar einen kleinen Vorsprung. Die Weichen dafür müssen allerdings heute gestellt werden.
Batterien heute speichern nur wenig Energie und sind schwer. Kann man das ändern?
Das kann man nicht ändern. Es gibt hohe Energiedichte entweder pro Masse oder pro Volumen. Aber beides ist wichtig: Wenn es zu schwer ist, bekommen Sie das Auto nicht von der Stelle; wenn es zu voluminös ist, bekommen Sie keinen Fahrer mehr hinein. Gerade die flüssigen Kohlenwasserstoffe, die in Benzin und Diesel sind, sind in Bezug auf die praktisch realisierbaren Energiedichten unschlagbar. Hinzu kommen hohe Speicherdichten: Benzin und Diesel können Sie in Plastikwannen aufbewahren. Das Dumme ist nur, dass die flüssigen Kohlenwasserstoffe in Benzin und Diesel mehrere hundert Millionen Jahre gebraucht haben, um zu entstehen. Wir haben nur 150 Jahre gebraucht, um sie zu verpulvern. Deshalb suchen wir Alternativen. Die sollen möglichst eine eierlegende Wollmilchsau sein: wenn möglich die gleichen Energiedichten, schnell tankbar und keine Emissionen.
In den 90er Jahren hat man bereits danach gesucht. Aber es stellte sich heraus - teilweise war das von vorneherein absehbar -, dass Batterien eine geringe Reichweite haben. Man muss mehrere hundert Kilogramm Batterie ins Auto packen und kommt nicht mal 200 Kilometer weit.
Es war also gewollt, dass Batterien als Misserfolg angesehen werden?
Die Automobilindustrie stellt Verbrennungsmotoren her. Das Benzin ist billig. Dann kommen irgendwelche Leute mit Elektrofahrzeugen. Die waren natürlich bei der Industrie nicht so beliebt. Und ehrlich gesagt war die Zeit einfach noch nicht reif für das Elektroauto. Die Technologie war nicht wirklich wettbewerbsfähig. Insofern hat die Automobilindustrie damals recht gehabt. Heute sieht das ganz anders aus.
Man hat jetzt festgestellt, dass Kunden das wollen, und dass gleichzeitig das Öl immer teurer wird und damit Batterien eines Tages preislich konkurrenzfähig werden könnten. Städte wiederum haben ein Interesse daran, dass mit Elektroautos die Luftqualität erhöht wird.
Wann gibt es Batterien, die Autos antreiben, wie wir sie heute gewohnt sind?
Diese Wann-Fragen sind schwer zu beantworten. Wir brauchen eine Technologie, in der sehr große Energieinhalte über die Elektroden eingesetzt werden und die dennoch sicher ist. Denn oft werden hohe Energieinhalte gewünscht, ohne dass die große Reaktivität mit bedacht wird.
Die heutigen Batterien sind computertauglich, aber sie müssen erst fahrzeugtauglich gemacht werden. Wenn statt 30 Wattstunden im Computer 50 Kilowattstunden im Auto zusammenkommen, dann muss das erst sicher gemacht werden.
Viele Leute haben hohe Erwartungen, gerade auch an die akademische Forschung. Aber die meisten von uns haben gerade erst angefangen. Die Früchte unserer akademischen Arbeiten wird man erst in drei, vier Jahren sehen.
Bis zur massenhaften Elektromobilität ist es also noch ein weiter Weg?
Es gibt bereits Feldversuche mit 20 oder mehr Fahrzeugen. Aber da ist jede Zelle einzeln geprüft. Das kann sich nur mit den Jahren entwickeln. In den Hybridfahrzeugen wird der Verbrennungsmotor immer kleiner werden, die Batterie wird größer. Irgendwann werden wir sehen, dass es auch in einem Standardfahrzeug ohne Verbrennungsmotor geht. Es wird keine Revolution, sondern eine Evolution geben.
Zur Person
Martin Winter, einer der führenden internationalen Batterie-Spezialisten, stammt aus Osnabrück, dissertierte und habilitierte sich an der Technischen Universität Graz in Chemischer Technologie und lehrte dort mehrere Jahre. Seit Anfang 2008 ist er auf einem Stiftungslehrstuhl Professor für Angewandte Materialwissenschaften zur Energiespeicherung und Energieumwandlung am Institut für Physikalische Chemie der Universität Münster.