Mehr als 4 Prozent Defizit im Jahr 2010. | Experte: Staat rettet 250.000 Jobs. | "Wenn Deutschland hustet, bekommt Österreich Grippe", lautet ein Sprichwort, das die starke wirtschaftliche Abhängigkeit Österreichs von seinem wichtigsten Handelspartner veranschaulichen soll. Trifft dies nur einigermaßen zu, gibt es hierzulande derzeit jeden Grund, sich schon einmal warm anzuziehen.
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Laut einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamts hat sich das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik 2008 fast halbiert. Nach 2,5 Prozent im Jahr 2007 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vorjahr lediglich um 1,3 Prozent gestiegen - und dies auch nur wegen eines relativ starken ersten Vierteljahres.
Nach mittlerweile drei negativen Quartalen in Folge steckt Deutschland tief in der Rezession. Allein im vierten Quartal dürfte die deutsche Wirtschaft um 1,5 bis 2,0 Prozent geschrumpft sein - der stärkste Quartalsrückgang seit 1987. Experten rechnen 2009 mit einem BIP-Rückgang um zwei bis drei Prozent.
Mit dem Konjunkturpaket, das die deutsche Regierung am Mittwoch offiziell auf den Weg gebracht hat, unternimmt Berlin den Versuch, die einbrechenden Exporte durch eine Ankurbelung der Inlandsnachfrage zu kompensieren. Das Paket umfasst ein Volumen von 50 Mrd. Euro für dieses und das kommende Jahr. Kernelemente sind öffentliche Investitionen in Verkehrswege und Bildungseinrichtungen im Ausmaß von knapp 18 Mrd. Euro. Steuer- und Abgabensenkungen machen ebenfalls 18 Mrd. Euro aus. Hinzu kommen eine Verschrottungsprämie, die die schwächelnde Automobilindustrie wieder auf Touren bringen soll, eine Ausweitung der Mittel für die Kurzarbeit sowie staatliche Kredite und Garantien für Unternehmen.
Rechnet man ein Anfang Dezember 2008 beschlossenes erstes Konjunkturpaket im Ausmaß von 31 Mrd. Euro bis Ende 2010 dazu, greift Deutschland seiner Wirtschaft pro Jahr mit rund 1,6 Prozent des BIP unter die Arme.
Volle Wirkung erst 2010
Ob dadurch der sprichwörtliche Husten rasch kuriert werden kann, bleibt allerdings abzuwarten. Da Teile des Programms erst zur Jahresmitte wirksam werden, dürfte die Konjunkturstützung heuer deutlich unter den von der EU-Kommission verlangten 1,5 Prozent des BIP bleiben, wie die "Financial Times Deutschland" ausführt. Die Maßnahmen könnten das BIP im laufenden Jahr um etwa 0,5 Prozent erhöhen. Ein belebender Impuls zum Tiefpunkt der Rezession - im ersten Halbjahr 2009 - würde jedoch ausbleiben.
Es sei denkbar, dass das Paket erst 2010 seine volle Wirkung entfalte, bekräftigt ein zur Bundesagentur für Arbeit gehörendes Forschungsinstitut. Immerhin würden durch die Maßnahmen aber bis zu 250.000 Jobs gesichert, die sonst durch die Krise verloren gegangen wären.
Dass das Medikament Konjunkturprogramm nicht ohne Nebenwirkungen zu haben ist, scheint der deutschen Bundesregierung bewusst zu sein. Finanzminister Peer Steinbrück rechnet für 2010 mit einem Staatsdefizit von mehr als 4 Prozent des BIP. Die Koalition in Berlin will die Schulden, die sie für ihr Wirtschaftsprogramm aufnimmt, aus einem Fonds tilgen, der entweder aus Bundesbankgewinnen oder Steuermehreinnahmen gespeist werden dürfte. Spätestens ab 2015 soll die Netto-Neuverschuldung maximal 0,5 Prozent des BIP betragen dürfen.