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Am EU-Sondergipfeltreffen zum Reformpaket Agenda 2000 am Freitag in Königswinter bei Bonn sieht sich die deutsche Regierung in der Rolle des "bösen Buben" gedrängt. Unter den EU-Staaten macht sich
Ärger über die deutsche EU- Ratspräsidentschaft breit. In Presseberichten heißt es, die Haltung der Deutschen werde kritisiert als abgehoben, realitätsfern und mehr den eigenen Interessen als einem
fairen Kompromiß verpflichtet. Der Ton bei den Verhandlungen über das milliardenschwere Mammut-Projekt zur Neuordnung der Agrar- und Regionalpolitik sowie des Finanzrahmens wird vier Wochen vor dem
entscheidenden "Gipfel aller Gipfel" Ende März in Berlin rauher.
"Das ist kein Zufall", meint ein EU-Diplomat in Brüssel. "Bei solch wichtigen Verhandlungen muß es immer jemanden geben, an dem man Frust und Ärger ausläßt. Damit müssen die Deutschen nun leben."
Natürlich stecke hinter solchen Berichten auch immer die Absicht, zuhause den Eindruck von Standhaftigkeit zu vermitteln. "Niemand will zu früh aus der Deckung kommen, nicht bei den Beträgen, um die
es bei der Agenda geht."
Inhaltlich dürfte sich bei dem Treffen in Bonn wenig tun, atmosphärisch vielleicht mehr. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder wird wohl erneut die Gelegenheit nutzen, seine Kollegen auf einen
Erfolg bei dem Sonder-Gipfeltreffen in Berlin am 24./25 März einzuschwören. "In Bonn sitzen sie zum Reformpaket erstmals von Angesicht zu Angesicht und müssen sich nun selbst durch die komplizierten
Feinheiten europäischer Agrar- und Strukturpolitik kämpfen", erläutert der Diplomat. Auf dem Petersberg werde eine Zwischenbilanz gezogen, wie weit die Agrar-, Finanz- und Außenminister bisher
gekommen sind. Schröder selbst verteidigte unmittelbar vor dem EU-Gipfel die Europapolitik der Regierung und war der Opposition unrealistische Forderungen vor. Keine Ergebnisse, dafür aber eine
Diskussion in "völliger Offenheit", erwartet der deutsche Bundeskanzler. Es gehe in Bonn nicht darum, "endgültige Entscheidungen zu treffen". Ziel sei vielmehr, Möglichkeiten für Kompromisse
auszuloten. Außerdem sollten Personalfragen erörtert werden, kündigte Schröder an.
"Die Kernprobleme sind inzwischen auf 20 Seiten darstellbar · da ist doch schon einiges eingedampft worden", sagt der EU-Diplomat weiter. Wer was am Ende zu bezahlen hat, werde ohnehin erst im
Morgengrauen des 26. März endgültig festgeschrieben. Zu diesen fundamentalen Fragen gehören beispielsweise die deutsche Forderung nach Entlastung bei den Zahlungen in die EU-Kasse, der spanische
Wunsch nach weiterhin großzügiger Entwicklungshilfe aus Brüssel und die britische Weigerung, den Rabatt auf die Zahlungen in die EU-Kasse aufzugeben. Noch stehen sich alle diese Positionen
unversöhnlich gegenüber. Eine Verringerung des hohen deutschen Nettobeitrags zum EU-Haushalts ist jedenfalls nach Ansicht des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Europaparlaments, Detlev
Samland, nur um etwa 1,5 Mrd. DM (767 Mill. Euro/10,55 Mrd. S) möglich. Wie der deutsche Sozialdemokrat betonte, könnte es größere Einsparungen nur bei den Ausgaben für Agrar und Strukturhilfen
geben. Die oppositionellen deutschen Christdemokraten haben dagegen errechnet, der Nettobeitrag von rund 22 Mrd. DM (11,25 Mrd. Euro/154,8 Mrd. S) könne um 7 Mrd. DM (3,58 Mrd. Euro/49,3 Mrd. S)
entlastet werden.