Kürzere Fristen und höhere Schwellenwerte. | Auch in Österreich werden Forderungen seitens der Wirtschaft laut. | Wien/Berlin.Etwas Gutes hat die Wirtschaftskrise - zumindest für öffentliche Auftraggeber in Deutschland. Dort wurde nämlich eine vorübergehende Lockerung des Vergaberechts beschlossen.
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Damit reagiert die deutsche Regierung auf eine Empfehlung des Europäischen Rates und der Kommission, angesichts der Wirtschaftskrise auf beschleunigte Verfahren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zurückzugreifen. Durch die Lockerung des Vergabeverfahrens sollen Investitionen in harten Zeiten angekurbelt werden. Dementsprechend werden die neuen Bestimmungen auch nur für zwei Jahre - 2009 und 2010 - gelten.
Weniger Formalismus
Konkret wurden die Schwellenwerte angehoben, ab denen die komplexen Vergaberegeln angewendet werden müssen. Im Dienstleistungs- und Lieferbereich dürfen öffentliche Aufträge nun formfrei ohne Ausschreibung vergeben werden, wenn sie 100.000 Euro nicht übersteigen. Im Baubereich müssen Aufträge auch erst ab 100.000 Euro ausgeschrieben werden, bis zu einem Wert von einer Million Euro muss jedoch nur eine beschränkte Ausschreibung stattfinden.
Abgesehen von der Anhebung der Schwellenwerte wurden auch die Fristen im Vergabeverfahren gekürzt.
Auch für Unternehmen gibt es eine Erleichterung: Diese müssen nicht mehr reihenweise Dokumente zum Nachweis ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit erbringen. Künftig reicht es aus, wenn das Unternehmen einfach nur erklärt, geeignet zu sein.
Das gelockerte Verfahren findet bisher nur auf Aufträge des Bundes, also zum Beispiel der Bundesministerien, Anwendung. Die Bundesländer können laut dem deutschen Rechtsanwalt und Vergaberechtsexperten Marco Junk die Schwellenwerte selbst festsetzen, ab denen ein formalisiertes Vergabeverfahren durchgeführt wird. Einige Bundesländer hätten sich allerdings schon dafür ausgesprochen, die Lockerungen auf Bundesebene zu übernehmen.
Junk sieht die Gesetzesänderung nicht ganz unkritisch: "Die Anhebung der Schwellenwerte geht zu Kosten der Transparenz und des fairen Wettbewerbs", betont er. Auch Michael Sachs vom österreichischen Bundesvergabeamt warnt in dem Zusammenhang vor einem verminderten Rechtsschutz. Außerdem bezweifelt er, dass ein beschleunigtes Verfahren sowie die Anhebung der Schwellenwerte der Wirtschaftskrise entgegenwirken können.
Kein Kopfzerbrechen
In Österreich scheint man sich allerdings über eine Lockerung des Vergabeverfahrens ähnlich wie in Deutschland noch nicht viele Gedanken gemacht zu haben. Ein Sprecher im Bundeskanzleramt verweist auf Anfrage der "Wiener Zeitung" auf die aktuelle Novelle des Bundesvergabegesetzes, die jedoch nichts mit den EU-Empfehlungen für ein beschleunigtes Vergabeverfahren zu tun hat. Von diesen weiß der Kanzler-Sprecher laut eigener Aussage nichts.
Auf die Regierung könnte dieses Thema jedoch bald zurollen. Denn in der Wirtschaftskammer werden wegen des deutschen Vorpreschens ebenfalls Forderungen auf eine Anhebung der Schwellenwerte laut, wie die "Wiener Zeitung" aus Insiderkreisen erfahren hat.
Großes Reformpaket
Das Konjunkturpaket für öffentliche Auftragsvergaben ist in Deutschland nicht die einzige Neuerung auf diesem Gebiet. Laut Junk steht auch eine Vergaberechtsreform an, die schon heute, Freitag, vom Bundesrat abgesegnet werden könnte.
Die Reform sieht laut Junk unter anderem eine Förderung der Klein- und Mittelunternehmen durch eine Verpflichtung zur Ausschreibung in Losen vor, wodurch große Aufträge auf mehrere kleine aufgeteilt werden.
Fraglich ist, ob Inhouse-Vergaben künftig ausdrücklich von der Ausschreibungspflicht ausgenommen werden. Dann könnte eine Gemeinde ohne förmliches Vergabeverfahren von einer anderen Gemeinde etwa ein Abfallentsorgungssystem übernehmen.