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Deutschland setzt AKW-Laufzeitverlängerung für drei Monate aus

Von WZ Online

Europaarchiv

Berlin. Die deutsche Bundesregierung setzt die beschlossene Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken in Deutschland für drei Monate aus. Dies gab Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag als Reaktion auf die Katastrophe in Japan bekannt. | Merkel vertraut deutschen Kernkraftwerken | Schweiz stoppt Bewilligungsgesuche für neue Akw


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"Dies ist ein Moratorium, dieses gilt für drei Monate", sagte Merkel am Montag in Berlin. Bei der Überprüfung aller deutscher AKW gebe es "keine Tabus".

Die deutsche Regierung war angesichts der Atomkatastrophe in Japan unter Druck geraten, da am 20. März in Sachsen-Anhalt und am 27. März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewählt wird. Möglich ist, dass die Regierung die ältesten und besonders in der Kritik stehenden Atomkraftwerke Biblis A, Isar 1 und Neckarwestheim 1 nach dem Sicherheitscheck rasch vom Netz nimmt und Reststrommengen gemäß des geltenden Atomgesetzes auf neuere Anlagen übertragen werden.

Wenn die Regierung die im Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung um durchschnittlich 12 Jahre komplett kippen sollte, müssten Bundestag und Bundesrat ein neues Atomgesetz verabschieden. Bis dahin gilt das am 1. Jänner in Kraft getretene Gesetz mit den längeren Laufzeiten. Gegen die Gesetzesnovelle ist aber eine Klage beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Die sieben bis 1980 ans Netz gegangenen Meiler dürfen acht Jahre länger laufen, die jüngeren sogar 14 Jahre.

Kauder sieht keinen Anlass für Änderung des Energiekonzeptes

Der Chef der Unions-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder sah indes im ARD-Fernsehen keinen Grund, vom Energiekonzept der Koalition abzurücken. "Die Sicherheit ist wichtig, und die ist zu trennen von der Laufzeit", sagte Kauder.

Die Parteiführung der deutschen Sozialdemokraten hat ihre Forderung nach einem schnellen Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland erneuert. Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel forderte zudem mehr konkrete Schritte für die Sicherheit der Kraftwerke.

Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner schloss eine Abschaltung von Atomkraftwerken noch vor der Landtagswahl in zwei Wochen nicht aus. "Wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist, wird es auch eine Abschaltung geben", sagte die CDU-Politikerin im Deutschlandfunk. Das könne auch vor der Wahl am 27. März sein.

Der schleswig-holsteinische FDP-Vorsitzende Jürgen Koppelin forderte die dauerhafte Stilllegung der Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel. Er kritisierte den Kompromiss der schwarz-gelben Koalition vom vorigen Jahr: "Wir hätten mindestens sechs der älteren (Atomkraftwerke) abschalten sollen, wenn wir die Laufzeiten verlängern."

Bayerns Umweltminister Markus Söder plädierte für eine grundlegende Debatte über alle Risiken und Schutzmechanismen. Auf die Frage nach längeren Laufzeiten sagte der CSU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung": "Japan verändert alles. Auch bei mir." Energiepolitisch gebe es keine seriöse Alternative zur Verlängerung der Laufzeiten: "Ich möchte nicht, dass wir am Ende abhängig sind von Kernkraftwerken in Tschechien und Osteuropa."

Nach den Atomunfällen in Japan macht die Anti-Kernkraftbewegung in Bayern mobil. Für Montagabend sind in vielen bayerischen Städten Mahnwachen geplant. So kündigten Atomgegner etwa Kundgebungen vor Bayerns ältestem Atomkraftwerk Isar I bei Landshut an. Demonstrieren wollen die deutschen Atomgegner außerdem in München, Augsburg, Nürnberg und Regensburg sowie Dutzenden anderen Orten. Bundesweit sind 250 Kundgebungen geplant.

Acht deutsche Atomkraftwerke müssen nach Ansicht des Münchner Strahlenexperten Edmund Lengfelder sofort abgeschaltet werden. "Der größte Teil unserer deutschen Atomkraftwerke hat einen Planungsstand aus den 1970er Jahren, das heißt, heute wären eigentlich praktisch alle deutschen AKWs nicht mehr genehmigungsfähig, weil sie eben diese alten Konzepte haben. Eigentlich müssten acht der deutschen Reaktoren sofort abgeschaltet werden", sagte der Strahlenbiologe vom Otto-Hug-Strahleninstitut in München im Interview mit dem rbb-inforadio. Wenn hier eine Kühlmittelleitung abreiße, sei "der Super-GAU da", so Lengfelder.

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