Wissenschaftsminister Hahn gegen Zahlungen und für Studiengebühren | Kuntzl für EU-weite Lösung | Wien. Nach Hochschülerschaft und Grünen sprechen sich nun auch Rektoren für Ausgleichszahlungen Deutschlands wegen des Ansturms deutscher Studenten an österreichische Universitäten aus.
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"Kann man dem österreichischen Steuerzahler zumuten, dass er universitäre Infrastruktur zur Verfügung stellt für weite Teile Mitteleuropas, die jetzt unser Land überfluten, weil wir gratis Studienplätze zur Verfügung stellen ?", fragte der Rektor der Universität Innsbruck, Karlheinz Töchterle, Morgenjournal des ORF. Auch für Rektorenchef Christoph Badelt wären solche Ausgleichszahlungen "in einem Gesamtpaket eine sinnvolle Maßnahme". Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) hat sich dagegen ausgesprochen.
Finanzieller Drahtseilakt
Für Töchterle, an dessen Uni rund 3.000 Deutsche studieren, ist "das, was wir heuer erleben, nur ein Vorgeschmack". Aufgrund der Verkürzung des Gymnasiums in Deutschland von neun auf acht Jahre werden nach Bundesländern gestaffelt zwei Jahrgänge gleichzeitig maturieren und damit entsprechend viele deutsche Abiturienten an die österreichischen Unis drängen.
Für Badelt wären solche Ausgleichszahlungen allerdings nicht der Weisheit letzter Schluss. Der Staat müsse sich "endlich dazu bekennen, wie viel Kapazitäten in den einzelnen Studienrichtungen existieren, und er müsste diese Kapazitäten finanzieren", erneuerte der Präsident der Universitätenkonferenz eine alte Forderung der Rektoren. Dramatisch für die Unis sei aber, dass die Politiker in dieser Frage einander blockierten und deshalb nichts passiere.
Hahn will weniger Studenten...
Wissenschaftsminister Johannes Hahnsprach sich gegen Ausgleichszahlungen von Deutschland aus. Österreich habe eine ausgeglichene Bilanz, es würden auch viele heimische Studierende ins Ausland gehen. Das Problem der Studienzuwächse ließe sich durch die Wiedereinführung von Zugangsbeschränkungen lösen.
Hahn erklärte, dass Ausgleichszahlungen auf europäischer Ebene keine Relevanz hätten, da es sich um ein Problem im deutschsprachigen Raum handle. Er sei dafür, die Mobilität der Studierenden zu erhöhen und "nicht künstlich Barrieren aufzubauen durch Ausgleichszahlungen".
Stattdessen solle es wieder quantitative Beschränkungen bei jenen Fächern geben, bei denen in Deutschland der Numerus clausus gelte. Diese Maßnahme habe auch in der Vergangenheit funktioniert. Hahn hofft, "dass der Koalitionspartner hier eine hinreichende Flexibilität entwickelt".
...und Studiengebühren
Auf die Fragen nach weiteren Maßnahmen erklärte Hahn, er habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sich auch die Wiedereinführung der Studiengebühren wünsche. Mehr Geld als kurzfristige Maßnahme will er den Universitäten aber nicht zukommen lassen: "Man kann nicht immer mehr Geld geben, man muss die Rahmenbedingungen ändern."
Kuntzl für EU-weite Lösung
Die Wissenschaftssprecherin der SPÖ, Andrea Kuntzl, beunruhigt die von Hahn prognostizierte Anstieg der Studentenzahlen auf 300.000 nicht. "Wir haben uns in der Koalition geeinigt, die Akademikerquote in Österreich an internationale Standards anzugleichen, daher brauchen wir mehr Studierende", so Kuntzl. Dass Deutschland Ausgleichszahlungen für die Ausbildung seiner Numerus Clausus-Flüchtlinge leisten soll, die in Österreich studieren, hält sie für "prinzipiell wünschenswert". Da aber auch andere EU-Länder wie Belgien in einer ähnlichen Lage seien, wünscht sie sich eine EU-weite Lösung.
Solche Ausgleichszahlungen müssten "beide Seiten wollen", so Kuntzl. Bei Verhandlungen in der Vergangenheit habe sich Deutschland allerdings dagegen ausgesprochen. "Ein neuer Anlauf kann aber nicht schaden."
Kritik übte Kuntzl an Hahn wegen dessen Wunsch nach einer Wiedereinführung der Studiengebühren. "Das ist das indirekte Eingeständnis, dass diese ein Instrument dafür sind, junge Menschen von den Unis abzuhalten."
Grüne: Ignoranz
"Ignoranz gegenüber den Unis" warf der Grüne Kurt Grünenwald der ÖVP vor. Hahn habe seit der Schaffung der Ausnahmeregelungen zu den Studiengebühren "wenig unternommen, um die Universitäten finanziell entsprechend auszustatten". Stattdessen habe den freien Hochschulzugang pauschal für alles verantwortlich gemacht. Die Studiengebühren würden jedoch an der Unterfinanzierung der Unis wenig verbessern und die Betreuungsverhältnisse seien zu Zeiten der Studiengebühren ebenso schlecht gewesen.