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Deutschland verkennt die Gefahr

Von Hermann Sileitsch

Analysen

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Deutsche Medien frohlocken, der Staat könne sich so günstig finanzieren wie nie. Stimmt: Deutschland ist das einzige Euroland, das von der gegenwärtigen Hysterie der Finanzmärkte profitiert. Überall sonst spielen sich dramatische Szenen ab. Italien und Spanien sind - was ihre Budgetfinanzierung anbelangt - in der "Todeszone" angekommen: Kurzfristig lässt es sich mit sieben Prozent Verzinsung auf neue Staatsschulden leben. Auf Dauer ist es tödlich. Somit ist klar: Irgendwoher muss ein Umschwung kommen.

Das Vertrauen der Anleger in europäische Staatspapiere muss zurückgewonnen werden, sonst geht die Währungsunion vor die Hunde. Nicht heute, nicht morgen - aber binnen weniger Monate. Es braucht ein starkes Signal. Die bisherigen Rezepte (Sparpakete, Rettungsschirme, Regierungswechsel) reichten für einen Meinungsumschwung nicht aus.

In deutschen Experten- und Finanzkreisen setzt sich dieses Denken allmählich durch: Sogar der Chef der Finanzagentur, Carl Heinz Daube, der als oberster Schuldenmanager des Landes über die tiefen Zinsen für Deutschland eigentlich frohlocken könnte, erkennt, dass es so nicht weitergehen kann: "Wir brauchen eine Institution, die mächtig genug ist", sagt er. "Das könnte die Europäische Zentralbank, der Euro-Rettungsschirm EFSF oder ESM oder etwas Neues sein."

Auch eine (vorübergehende) gemeinsame Schuldenaufnahme halten Experten für eine Denkvariante. Deutschlands Politiker wollen von all dem aber nichts wissen. Es liegt nahe, ihnen zu unterstellen, dass sie die Gefahren ignorieren, weil sie selbst von den Turbulenzen im Anleihenmarkt nicht betroffen sind. Allein, diese Sicht wäre irrwitzig: Gehen Italien oder Spanien unter, sitzt der deutsche Finanzsektor in der ersten Reihe. Der erwartbare Kollaps der Realwirtschaft würde das exportabhängige Deutschland massiv treffen. Die Kosten wären weit höher als der Geldeinsatz für die genannten Rettungsaktionen.

Dennoch geht den Deutschen ihre Ordnungspolitik über alles: Disziplin, Sparwille, Kontrolle. Die Argumentationsmuster sind seit Monaten dieselben. All das ist richtig und wichtig. Über Brandschutz sollte man immer intensiv diskutieren, aber doch nicht dann, wenn das Haus lichterloh brennt.

Die Märkte würden nicht rational handeln, sagt Finanzminister Wolfgang Schäuble. Im selben Atemzug fordert er, die Prinzipien des Marktes sollten für mehr Disziplin bei den Investoren sorgen. Was gilt denn nun: Sind die Märkte irrational oder der einzig wahre Zuchtmeister?