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Auch in der Wirtschaft ist "Fastenzeit": "Die Konjunktur droht ins Stocken zu geraten", titelt das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) seine Prognose und revidierte die Dezemberzahlen für 2004 um 0,2%-Punkte auf 1,5% nach unten - die Prognose des Instituts für Höhere Studien (IHS) bleibt mit plus 2,1% unverändert. Beide sorgen sich um Deutschland: Dort geht vor allem auf der Konsumseite nichts weiter - Europas größte Volkswirtschaft - Österreichs wichtigster Wirtschaftspartner - wird zum bremsenden "Klotz am Bein".
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"Der europäische Wachstumshengst bzw. die europäische Wachstumsstute lahmen, und wir lahmen mit", sagte Karl Aiginger vom Wifo. "Es sgibt zwar kleine Schritte zur Erholung, aber das ist noch immer eine Fastenspeise und kein Osterkuchen".
"National haben wir den Nachteil der deutschen Nähe. Dort gibt es eine Verunsicherung von Unternehmen und Konsumenten", berichtete Aiginger. Die enge Verflechtung der deutschen mit der österreichischen Volkswirtschaft schlagen mit 0,2 bis 0,3% aufs Wachstum des österreichischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) durch, erläuterte Markus Marterbauer vom Wifo. "Die deutsche Schwäche gibt es seit 1993, 1994: Da hat sich die Wiedervereinigung in der Wirtschaft negativ niedergeschlagen." Die Wiedervereinigung habe sich nur kurzfristig gut auf die deutsche - und somit die heimische - Wirtschaft ausgewirkt. Hoffnung weckt nun allerdings Osteuropa: Der österreichische Außenhandel habe sich nach dem Ende der Staatswirtschaften in Osteuropa rasch auf die neuen Möglichkeiten eingestellt, und den Grad seiner Ostverflechtung von 8 auf 18% ausgebaut. Der Anteil der Warenexporte nach Deutschland ist von 38% (vor 15 Jahren) auf rund ein Drittel der österreichischen Gesamtexporte zurückgegangen.
Die Einschätzung der deutschen Konjunktur im laufenden Jahr macht einen wesentlichen Unterschied in der Prognosedifferenz von Wifo und IHS für das österreichische Wirtschaftswachstum 2005 aus, die 0,6%-Punkte beträgt. Während das Wifo von 1% Wachstum für Deutschland 2004 ausgeht, spricht das IHS von 1,5%.
Euro, Öl und Angstsparen
Der Euro bleibt laut Wifo-Prognose mit 1:1,22 US-Dollar weiterhin hoch, der Ölpreis bleibt nicht günstig. Unternehmen und private Haushalte seien "erheblich verunsichert" und würden deshalb geplante Investitionen aufschieben bzw. zu Vorsichtssparen neigen, was sich gesamtwirtschaftlich negativ auswirken würde.
Laut Wifo wird die Zahl der Arbeitslosen weiter zunehmen und im Jahresdurchschnitt 2005 rund 250.000 erreichen - eine Rate von 7,2% im laufenden und kommenden Jahr. Das Beschäftigungswachstum bleibe gemessen am kräftigen Anstieg des Arbeitskräfteangebots zu schwach. Bernhard Felderer, Leiter des IHS, sagte: "Die Prognose für Arbeitslosigkeit ist zwar bei uns mit 6,9% für 2004 und 6,7% für 2005 etwas niedriger - aber da geht es um ein paar Tausend Personen, keine große Zahl."
"Unsere Ansicht ist, dass Europa einfach der Wille zum Wirtschaftswachstum fehlt und, dass sich die europäischen Institutionen eher mit Dingen wie Verfassung und Präsidentschaft beschäftigen", meinte Aiginger. So habe die Umsetzung von Infrastrukturprojekten wenig Priorität.
Die Lissabonziele mit Themen wie Ausbildung, Forschung, Mobilität seien zwar beschlossen, würden aber nicht konsequent genug verfolgt werden. Im Bereich Lehrlinge und Forschung sollte mehr getan, Kyoto solle nicht in Frage gestellt, sondern als Chance für technologische Führerschaft gesehen werden.
Aiginger schlug auch eine rasche Umsetzung der Pensionsharmonisierung als einen Lösungsansatz gegen die Zurückhaltung und Verunsicherung der Konsumenten vor.
Felderer meinte, die Forschungsquote sei in Österreich - soweit sie den Staat betreffe - sehr hoch, und "wenn unsere Industrie nicht forscht, wird man das der Bundesregierung schlecht zu Lasten legen können." Die Anreize seien seiner Ansicht nach jedenfalls da.