Crasht die angeschlagene deutsche Autoindustrie, droht auch Österreichs Wirtschaft ganz erheblicher Schaden.
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Je näher der Wahltag rückt, umso lieber weisen die beiden Noch-Regierungsparteien darauf hin, dass sich die Republik nach langen Jahren der Krise endlich wieder auf gutem wirtschaftlichem Wege befindet. Nicht ganz zu Unrecht: Die Arbeitslosigkeit geht erstmals wieder (leicht) zurück, die Wirtschaftsleistung wächst leidlich und dürfte auch 2018 durchaus zufriedenstellend sein, und zumindest die offiziellen Inflationswerte liegen halbwegs im Bereich des Akzeptablen.
Ob diese günstige Entwicklung weiter anhält, wird freilich auf mittlere Sicht von einer Frage abhängen, die in Österreich in erstaunlichem Ausmaß negiert wird - nämlich der Frage, ob Deutschlands heute schon von Kartell- und Dieselaffären schwer gebeutelte Autoindustrie den Umstieg auf die Elektromobilität schnell genug und effizient genug schaffen wird - oder eben nicht. Denn die Herstellung von hochwertigen Autos ist Deutschlands wichtigste industrielle Kompetenz, mehr als eine Million meist hoch qualifizierter Menschen sind dort beschäftigt. Mit dem Erfolg oder Misserfolg dieser Branche steht oder fällt Deutschlands ökonomische Potenz.
Und in hohem Maß auch jene Österreichs, dessen (Zuliefer-)Industrie bekanntlich eng mit den deutschen Autobauern verzahnt ist. Wir haben es hier im Grunde sowohl in Deutschland wie auch teilweise in Österreich mit einem ökonomischen Klumpenrisiko zu tun. Wenn es schlagend wird, weil die deutsche Autoindustrie von Tesla und Konsorten geschlagen wird, dann droht ein wirtschaftlicher Super-GAU. Dass Deutschland heute eine der stärksten Exportnationen der Welt mit einem dementsprechend gewaltigen Außenhandelsüberschuss ist, würde dann eine sentimentale Erinnerung an eine längst untergegangene Welt sein, nicht mehr.
Es ist in diesem Zusammenhang überschaubar beruhigend, dass ausgerechnet die deutsche Bundeskanzlerin skeptisch ist, was die Überlebensfähigkeit ihrer Autoindustrie anbelangt. Beim Europäischen Rat Ende Juni in Brüssel malte sie intern, so berichtete damals der "Spiegel", schwarz für die deutschen Autobauer. Jeder wisse, so die Bundeskanzlerin im Kreis der Regierungschefs, dass die Branche in ihrer heutigen Form "nicht überleben" werde. Und das war noch, bevor die Kartellskandale ruchbar wurden.
Auch wenn die Vorstellung, dass in ein paar Jahren Unternehmen wie VW, Audi oder BMW nicht mehr jene industriellen Platzhirsche sein könnten, die sie heute noch sind, etwas befremdlich sein mag - auszuschließen ist das überhaupt nicht. Denn gerade die Technologieführer am Markt tun sich erfahrungsgemäß besonders schwer, auf die für sie lebensbedrohlichen Herausforderungen durch neue, disruptive Technologien angemessen schnell zu reagieren und sich diese Technologien anzueignen. Der weltweite Friedhof untergegangener Marken belegt das hervorragend.
"Etablierte Anbieter unterschätzen immer Geschwindigkeit und Dramatik eines solchen Wandels. Die deutsche Autoindustrie scheint dabei keine Ausnahme zu sein", analysierte jüngst der renommierte deutsche Ökonom Daniel Stelter im "Manager-Magazin". Behält er damit recht, kommt möglicherweise schon auf die nächste hiesige Bundesregierung ein ziemlich mächtiges Problem zu.