Die europäische Verfassung nimmt konkrete Züge an. Manche Eckpunkte sind schon fix, andere müssen noch von den EU-Mitgliedern und Beitrittsländern ausdiskutiert werden. Ein großer Stolperstein am Weg zur endgültigen Version ist die Stimmengewichtung der Länder im europäischen Rat.
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So haben sich die Experten vorerst auf die sogenannte "doppelte Mehrheit" geeinigt. Diese berücksichtigt das demographische Gewicht eines Landes.
Deutschland wäre aufgrund seiner Einwohner der absolute Gewinner dieses neuen Systems und hätte künftig 59 Stimmen, Frankreich zwischen 40 und 45, Italien ebenso, Polen und Spanien nur 27 und Österreich sinkt von 8 auf 7 Stimmen. Doch in dieser Frage ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und findige Verfassungsjuristen und EU-Experten sehen eine Chance, die dominante Position Deutschlands noch zu kippen.
"Wenn der italienische Präsident das Problem geschickt anpackt, dann ist Deutschland bald isoliert," heißt es in EU-Kreisen. Falls Berlusconi rechtzeitig den passenden Gegenvorschlag servieren könnte, hätte Deutschland kaum noch Chancen, hoffen zumindest die Vertreter der kleineren und mittleren Staaten.
Zurück zu Nizza?
Ein erklärter Gegner des enormen Deutschlandsgewichts ist Polen, das die Verfassung noch sprengen könnte. "Die Polen wehren sich mit einer Härte sondergleichen und sagen entweder gehen wir zu Nizza zurück oder es gibt keine Verfassung," erklärt der griechische EU-Abgeordnete Dimitris Tsatsos. Auf derselben Linie kämpft auch Spanien offen dagegen an. Frankreich, Italien und Großbritannien sind zwar offiziell bereit, die doppelte Mehrheit mitzutragen. Doch im Grunde wäre allen ein Konzept lieber, das Deutschland weniger Gewicht verleihen würde.
Auch für den Slowenen Alojz Peterle, Mitglied des Konventspräsidiums, ist die Frage der Stimmengewichtung noch offen. Wohl auch im Hinblick auf mögliche künftige Allianzen. Denn schon jetzt hätten die beiden großen Verbündeten Frankreich und Deutschland durch ihr gemeinsames Unterwandern des Stabilitätspaktes das EU-Gefüge ausgereizt. "Dieses Benehmen gefällt mir nicht, das ist nicht im europäischen Geist. Wenn die Regeln nicht für alle gelten, dann führt das zu einem Europa der verschiedenen Klubs", so Peterle.