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16 Staaten sollen genauer untersucht werden, um Ungleichgewichte zu beheben.
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Brüssel. Selbst gute Wirtschaftsdaten können ihre Tücken haben. Diese Erfahrung muss gerade Deutschland machen, das ansonsten immer gemeinsam mit Frankreich als Motor für die europäische Wirtschaft bezeichnet wird. Doch die Exportüberschüsse des Landes bereiten der EU-Kommission Sorgen, und daher will die Brüsseler Behörde das Außenhandelsplus und seine Ursachen genauer untersuchen. Das kündigte sie bei der Präsentation ihres Jahreswachstumsberichts an, der Teil des sogenannten europäischen Semesters ist. Dieses beinhaltet auch ein Frühwarnsystem, das wirtschaftliche Ungleichgewichte erkennen und beheben helfen soll. Es kann sich dabei um die öffentliche und private Verschuldung, stetig steigende Arbeitslosenzahlen sowie unverhältnismäßig hohe Immobilienpreise handeln - oder eben einen Leistungsbilanzüberschuss.
Insgesamt 16 Länder will die Kommission einer Analyse unterziehen, darunter finden sich unter anderem Frankreich, Italien, Großbritannien, Schweden, Finnland oder Belgien. Doch nur in Luxemburg und Deutschland wird das Augenmerk auf die Exporte gelegt. In der Leistungsbilanz-Rangliste folgen diese Staaten auf die Niederlande, mit Überschüssen von rund sieben Prozent in den Jahren 2010 bis 2012. Österreich ist auf Platz sieben zu finden, mit 2,2 Prozent. Hingegen verzeichnen 18 Staaten ein Minus. Die Schwellenwerte, ab denen die Kommission eine genauere Untersuchung für richtig befindet, liegen bei plus sechs und minus vier Prozent.
Doch gehe es nicht darum, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu kritisieren, sagte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Er würde sich vielmehr etliche solcher Staaten wünschen. Doch daran mangle es - und das sei das Problem. Der hohe Überschuss bedeute auch, dass die Deutschen einen Großteil ihrer Ersparnisse im Ausland investieren, fügte Währungskommissar Olli Rehn hinzu. Die Ergebnisse der Überprüfung sollen im Frühling vorliegen, über mögliche Sanktionen will die Kommission vorerst nicht sprechen.
Budgetpläne vorgelegt
Berlin musste sich immer wieder Vorwürfe anhören, dass es seine Exportbilanz nicht zuletzt durch Niedriglohnpolitik verbessert, anstatt den Binnenkonsum zu stärken. Das hat Auswirkungen auf andere Länder: Die deutschen Produkte werden in den importierenden Staaten zu einer starken Konkurrenz für eigene Erzeugnisse. Ihr Konsum werde noch dazu oft durch Schulden finanziert, warnen Kritiker. Die Einwände kommen nicht nur von EU-Partnern, sondern auch aus den USA. Diese argumentieren damit, dass Ungleichgewichte im weltweiten Handel verstärkt würden.
Deutsche Unternehmen, aber auch die Regierung in Berlin können nur wenig damit anfangen. So erklärte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie, Matthias Wissmann: "Unser Export hilft Europa." Denn der Überschuss sei nicht das Ergebnis von Markteingriffen, sondern beruhe auf einer Wettbewerbsfähigkeit, "die sich deutsche Unternehmen Tag für Tag neu erarbeiten". Eine ähnliche Reaktion kam aus dem Wirtschaftsministerium.
Die Kommission findet dennoch, dass Deutschland eine besondere Verantwortung bei der Überwindung der Finanzkrise hat - zudem sie von einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in der EU ausgeht. Insgesamt komme nämlich das Wachstum langsam wieder in Fahrt, beruhigen sich die Finanzmärkte und nehme das Vertrauen wieder zu, stellte Barroso fest. Die Budgetdefizite hätten sich seit ihrem Höchststand halbiert.
Die Forderung nach Einhaltung der Haushaltsdisziplin bleibt allerdings weiter aufrecht. Das sollen die Länder auch in ihren nationalen Budgetplänen berücksichtigen - vor allem die Mitglieder der Eurozone. Diese haben schon ihre Entwürfe für das kommende Jahr nach Brüssel geschickt. Am Freitag will Rehn seine Bewertung vorstellen.