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Einerlei, ob nun Deutschland den Saudis 200 modernste Modelle des Kampfpanzers "Leopard" für 1,7 Milliarden Euro liefert oder nicht - der Wirbel ist entfacht.
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Warum schweres Kriegsgerät an ein autokratisches Regime liefern, wenn Berlin gleichzeitig die Revolte gegen gleich strukturierte arabischen Regimes unterstützt? Die Erklärung des deutschen Außenministers Guido Westerwelle für diesen gespaltenen Zungenschlag verstärkt nur das Misstrauen: Es gehe um ein strategisches Gleichgewicht zwischen den Ölprinzen und dem Iran. Hat man etwa schon vergessen, dass die Saudis dem Nachbarn Bahrain gegen Wutbürger militärisch beisprangen?
Verfassungsgemäß hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die sogenannte Richtlinienkompetenz, sie kann daher ihren Ministern verbindliche Weisungen erteilen. Ließ sie also Westerwelle freie Hand, um den kleinen Koalitionspartner nicht zu vergrämen?
Wegen dieser Richtlinienkompetenz muss sie auch einen Wirbel im UNO-Sicherheitsrat verantworten. Berlin hatte zwar volle Sympathie für die Revolte gegen Muammar Gaddafi bekundet, sich aber im Sicherheitsrat bei der Abstimmung über den Libyen-Einsatz der Nato der Stimme enthalten - wie Russland und China. Bündnistreue in der Nato sieht jedenfalls anders aus.
Als die Umfragen im Wahlkampf 2009 der Union schlechte Aussichten stellten, geisterte ein geflüsterter Mutmacher durch die CDU: "Mutti macht’s!" Derzeit halten Umfragen beharrlich bei 38 Prozent für die schwarz-gelbe Regierung und bei 52 Prozent für Rot-Grün. Was machte denn "Mutti"?
2009 warb die FDP trotz der Weltwirtschaftskrise mit Steuersenkung und erntete 15 Prozent der Stimmen. Doch vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zerzauste die euphorische Steuerpolitik der FDP unnachsichtig mit dem Argument, dass Staatsverschuldung und Budgetdefizit nicht einen Cent für Geschenke hergäben. Die FDP stürzte in den Umfragen ab, doch die CDU gewann nichts hinzu. Es folgte Niederlage auf Niederlage in Landtagswahlen, die FDP rutschte sogar unter fünf Prozent. Doch dank dem unerwartet starken Aufschwung der deutschen Wirtschaft plädiert nun "Mutti" sehr zu Schäubles Ärger für eine Senkung der Steuerlast.
Nicht anders lief es in der Atompolitik. Die Union stieg aus dem "Atomkonsens" von 2000 mit der Begründung aus, dass man der Atomenergie noch so lange als "Brückenenergie" bedürfe, bis saubere Energie leistungsgleich sei. Es folgte das Eiertanzturnier "Ausstieg" und "Ausstieg vom Ausstieg" bis zum verheerenden Knall in Fuku-shima. Jetzt geht plötzlich der "Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg" bis 2022.
Stellt man noch in Rechnung, dass "Mutti" vier CDU-Kronprinzen und sogar Bundespräsident Horst Köhler abhanden kamen, dann stellt sich die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin als Schlingerkurs dar.
Gewiss, noch hat Merkel Zeit zur Rekonvaleszenz bis zu den Bundestagswahlen 2013. Aber angesichts einer Staatsverschuldung von 83Prozent der Wirtschaftsleistung und der Kosten der ansteckenden "griechischen Krankheit" sind wirksame Köder für den nächsten Wahlkampf Mangelware.
Clemens M. Hutter war Ressortchef Ausland bei den "Salzburger Nachrichten".
Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.