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Die demographische Entwicklung - Österreich entwickelt sich wie alle anderen europäischen Länder von einer jungen, wachsenden zu einer alten, schrumpfenden Gesellschaft - und die Fortschritte in der Medizin führen zu einer Kostenexplosion der Gesundheitsausgaben. Über eine Reform wird derzeit österreichweit nachgedacht. Zuletzt hatte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat die Deckelung der staatlichen Gesundheitsausgaben mit 5,5 Prozent des BIP in Diskussion gebracht.
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"Unser Gesundheitssystem ist nicht krank - es bietet für die Patienten eine gute Versorgung", stellt der Gesundheitsökonom Univ.Prof. Christian Köck unserem System grundsätzlich ein gutes Zeugnis aus. Reformbedarf ist allerdings gegeben. Davon wird zwar schon seit 20 Jahren geredet, aber die komplexe Struktur des Gesundheitswesens hat diese bisher verhindert. Eine Chance sieht Köck darin, dass die Ressourcen knapp sind, denn "nur durch Kostendruck entsteht ein Effizienzsteigerungspotenzial".
Gesundheitskosten steigen überproportional
Die Gesamtausgaben für Gesundheit sind laut Untersuchungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) in den vergangenen Jahren deutlich stärker gewachsen als die heimische Wirtschaft. Von 1996 auf 2001 haben sich die Gesundheitsausgaben um 27 Prozent erhöht, während die Wirtschaft in diesem Zeitraum nur um 23 Prozent gewachsen ist. Den größten Anstieg gab es dabei bei den Medikamenten mit einem Plus von 87 Prozent. Den größten Kostenanteil macht laut IHS aber der Krankenhausbetrieb aus. Während dieser Anteil in Österreich bei 45 Prozent liegt, macht er in anderen vergleichbaren europäischen Ländern im Durchschnitt nur 37 Prozent aus.
Lobbygruppen erschweren Reformen
Wer sind nun die beharrenden Kräfte, die eine Reform unseres Gesundheitssystems so schwierig machen? Das ist einerseits die verschachtelte Kompetenzordnung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden als Finanzgeber und Spitalserhalter. Andererseits politische Interessen und beteiligte Lobbygruppen wie Ärzte, Apotheker oder Pharmaindustrie.
Die wichtigsten Änderungen bei einer Reform müssten laut Köck bei einer Reduktion der Krankenhäuser und der Bettenanzahl ansetzen. Würde man etwa die Krankenhaus-Aufnahmewahrscheinlichkeit, die in Österreich um 20 Prozent über dem EU-Durchschnitt liegt, senken, könnte man 7 Prozent der Kosten, das entspricht 700 Mill. Euro, sparen. Auch eine Senkung der Krankenhaus-Aufenthaltsdauer auf jenen Wert, den das Ministerium eigentlich dafür vorgesehen hat, brächte eine Kostenreduktion um 13 Prozent. Alleine mit diesen beiden Maßnahmen, so Köck, könnten etwa 2 Mrd. Euro pro Jahr gespart werden. Natürlich müsste ein Teil dieser Einsparungen in den niedergelassenen Bereich, sprich Allgemeinmedizin, fließen. "Die Umsetzung ist allein eine Frage des politischen Willens", ist Köck überzeugt.
Selbstbehalte kommen und sind sinnvoll
Ansätze gibt es bereits. So hält der Gesundheitsökonom etwa die von Gesundheitsministerin Rauch-Kallat angedachte Deckelung der öffentlichen Gesundheitsausgaben für einen guten Zugang: "Andere Länder, die nicht für Sozialdumping bekannt sind wie etwa Schweden oder die Niederlande, haben das bereits umgesetzt." Das bedeute natürlich nicht, dass die Gesundheitsausgaben insgesamt sinken, schließlich könnten ja bestimmte Dinge in den privaten Bereich - also Selbstbehalte - verlagert werden. Das Gute an Selbstbehalten sei, dass man damit sehr zielgerichtet steuern kann. Köck ist davon überzeugt, dass Selbstbehalte kommen und diese auch sinnvoll sind. Chronisch Kranke und sozial Schwache könnten ja ausgenommen werden.
Auch die geplanten Gesundheitsagenturen hält Köck für einen Schritt in die richtige Richtung. Rauch-Kallat plant neun Landes- und eine Gesundheitsagentur, die die Steuerung, Planung und Finanzierung der Krankenhäuser abwickeln sollen. Laut Ministerbüro wird derzeit noch an einer politischen Einigung gearbeitet, eine Umsetzung soll aber so bald als möglich, vielleicht sogar schon ab 2004, erfolgen.
Skeptisch ist der Gesundheitsökonom über die Zielgröße "Land". Er tritt für regionale Gesundheitsfonds ein, die durchaus länderübergreifend aufgebaut sein sollten. Schließlich gehen etwa PatientInnen aus dem Wiener Umland meist in Wiener Krankenhäuser.