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Dialog hilft helfen

Von Reinhold Lopatka

Gastkommentare
Reinhold Lopatka ist Klubobmann der ÖVP.

Die eklatanten Menschenrechtsverletzungen, die in Saudi-Arabien stattfinden, müssen auf allen Ebenen thematisiert werden.


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Die Bestrafung des Bloggers Raif Badawi durch die saudischen Justizbehörden ist unmenschlich und untragbar. Politiker und NGOs haben alles zu tun, um eine Begnadigung von Raif Badawi zu erwirken. Die eklatanten Menschenrechtsverletzungen, die in Saudi-Arabien stattfinden, müssen auf allen Ebenen und über alle diplomatischen Kanäle thematisiert werden, um zu substanziellen Verbesserungen zu kommen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen wie etwa Amnesty International, aber auch vieler anderer. Ihr Engagement findet weltweit Beachtung und rettet oft direkt das Leben von Verfolgten.

Eine Verknüpfung der grausamen Strafe für Raif Badawi mit der Forderung nach Schließung des Zentrums für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog (Kaiciid) in Wien ist allerdings keinesfalls zielführend. Die Debatte um die Schließung des Kaiciid trägt zur Verbesserung der Lage Raif Badawis absolut nichts bei. Die grundsätzliche Frage in diesem Zusammenhang lautet vielmehr: Wie kann man die weltweite Einhaltung der Menschenrechte, der Religionsfreiheit und echte Toleranz sowie eine positive Veränderung einer Gesellschaft hin zu mehr persönlicher Freiheit begünstigen? Soll man mit jenen, die hier Aufholbedarf haben, in einen Dialog treten oder nicht - sie einbinden oder ihnen alle Türen zuschlagen? Was würde es bedeuten, wenn wir Staaten, in denen es Menschenrechtsverletzungen gibt, aus dem Dialog ausschließen? Was würde das für Organisationen wie etwa die UNO bedeuten? Was für unsere Beziehungen mit gewissen Staaten?

Zugespitzt: Wollen wir den Dialog oder nicht? Treten wir in den Dialog ein, auch wenn wir wissen, dass der Dialogpartner von unserem Werteverständnis weit entfernt ist? Ist es nicht das Wesen des Dialogs, ihn gerade mit jenen zu versuchen, die weit entfernt von unseren Wertvorstellungen sind? Das sind grundsätzliche Fragen. Die Antworten sind entscheidend für unser Selbstverständnis, für unsere Außenpolitik und für die Zukunft Europas.

Gerade jetzt ist die Förderung des interreligiösen Dialogs, die Förderung des Verständnisses unter den Religionen unsagbar wichtig, denn Wissen und Verständnis sind die besten Voraussetzungen, um Radikalismus vorzubeugen. Von vielen wird kritisiert, das Kaiciid habe seine Funktion bisher nicht erfüllt. Das mag sein, aber dann muss man es umgestalten und nicht schließen.

Der internationale Terrorismus ist eine der größten Herausforderungen, denen die internationale Gemeinschaft derzeit gegenübersteht. Die dahinterstehende Ideologie vergeht sich nicht nur an Menschen, sondern auch an einer Religion. Wir sind alle gefordert, Mittel und Wege zu finden, diese Ideologie zu delegitimieren und zu neutralisieren.

Das Kaiciid kann hier eine immens wichtige Funktion erfüllen, nämlich das Verständnis und Wissen über Religionen fördern, dem Missbrauch von Religion und Extremismus entgegenwirken, die Propaganda der Dschihadisten entlarven und eine Gegenstrategie erarbeiten. Das Kaiciid, so wurde Rabbi Rosen, der Vertreter des Judentums im Kaiciid, kürzlich in der "Wiener Zeitung" zitiert, "zündet im dunklen Tunnel des IS eine Kerze an". Wir sollten uns gut überlegen, diese Kerze nicht wieder auszublasen.