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Diamanten halten den grausamen Krieg in Sierra Leone am Leben

Von Thomas Burmeister

Politik

Die wertvolle Kriegsbeute aus dem bettelarmen Sierra Leone läßt sich überall im Westen leicht verkaufen. Der Dollar-Gegenwert von Waffen, Munition und Sold, mit dem man Tausende von Rebellen | monatelang mordend und brandschatzend durchs Land schicken kann, läßt sich in einer kleinen Handtasche transportieren. Diamanten sind fast der einzige in Devisen umsetzbare Reichtum des ausgebluteten | Bürgerkriegslandes an der Westküste Afrikas.


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Große Teile der Schürfgebiete kontrollieren inzwischen die Guerilleros der Revolutionären Vereinigten Front (RUF) und deren Hintermänner in der Regierung des Nachbarlandes Liberia. Keine

Eroberung feierten sie so wie Ende vergangenen Jahres die Einnahme der Minen bei Koidu im Osten des Landes, eines der reichhaltigsten Diamantenfelder Afrikas.

Die offiziellen politischen Ziele der RUF, die 1991 mit Unterstützung des damaligen Rebellenführers und heutigen liberianischen Präsidenten Charles Taylor zu den Waffen griff, sind hingegen vage. Die

Herrschenden hätten nur ihre persönliche Bereicherung im Sinn, weshalb man sie stürzen müsse, predigte RUF-Gründer Foday Sankoh.

Ihren Kampf führt die RUF mit Methoden, die in Afrika an Grausamkeit nur noch durch den Völkermord an den Tutsi in Ruanda überboten worden sind. Wenn überhaupt, dann überleben Dorfbewohner die

"Befreiung" ihres Ortes oft nur mit furchtbaren Verstümmelungen. Alikalia, im Norden Sierra Leones, ist so ein Ort des Grauens. Als RUF-Truppen das Dorf im vergangenen Herbst heimsuchten,

trieben sie mehr als 50 Kinder, Frauen und Greise in der Versammlungshütte zusammen und warfen so lange Handgranaten hinein, bis sich niemand mehr regte.

"Wo immer diese Banditen gehaust haben", sagt ein Mitglied der UNO-Beobachtergruppe in Sierra Leone, "sieht man Überlebende, denen Ohren, Nasen, Lippen sowie ganze Gliedmaße fehlen." Die

Verstümmelungen sollen die Landbevölkerung vor jeglicher Unterstützung für die Regierung abschrecken.

Mehr als die Hälfte der auf 15.000 bis 30.000 geschätzten RUF-Rebellen sind Kinder und Jugendliche, die bei Überfällen zwangsweise rekrutiert wurden. Vor dem Kampf werden auch sie mit Alkohol und

Drogen aufgeputscht.

Besonders skrupellos wütet die RUF, seit sie im vergangenen Jahr nach heftigen Gefechten von nigerianischen Soldaten der westafrikanischen Friedenstruppe ECOMOG aus der Hauptstadt ins

Hinterland vertrieben wurden. Von Mai 1997 bis Mitte Februar 1998 hatten sie nach dem Sturz des 1996 demokratisch gewählten Präsidenten Ahmad Tejan Kabbah gemeinsam mit der Militärjunta des

Putschistenführers Major Johnny Paul Koroma eine Terrorherrschaft über Freetown errichtet. Junta-Offiziere und RUF-Banditen plünderten die Zentralbank und teilten sich die Gewinne aus dem

Diamantenhandel und dem inzwischen weitgehend zusammengebrochenen Edelholzexport.

Als Präsident Kabbah im März 1998 aus dem Exil in seine zerstörte Hauptstadt zurückkehren konnte, versprach er den Wiederaufbau des seit dem ersten Militärputsch 1967 durch zahllose korrupte Militär-

und Zivilregimes ruinierten Landes. Doch die ebenfalls versprochene Aussöhnung der widerstreitenden Gruppen brachte Kabbah nicht zustande.

Eine Amnestie für die am letzten Putsch beteiligten Mitläufer endete mit der Internierung hunderter Soldaten, die sich gestellt hatten. Dutzende Offiziere und Beamte, die der letzten Junta gedient

hatten, wurden zum Tode verurteilt, darunter auch der RUF-Gründer und Taylor-Intimus Sankoh, der in Freetown im Gefängnis auf die Hinrichtung wartet. dpa