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Diamanten: Mehr Schaden als Nutzen

Von Vladislav Marjanovic/Tribüne Afrikas

Politik

Vor fast einem halben Jahrhundert schien alles noch voll Hoffnung. Damals, anlässlich der ersten Konferenz der Blockfreien Staaten, die 1961 in Belgrad stattfand, behauptete ein Vertreter der Regierung Kongos, dass sein Land so viel Diamanten besitze, dass es damit die Entwicklung des ganzen afrikanischen Kontinents finanzieren könne. Heute aber sieht die Situation ganz anders aus: Trotz seines Reichtums an Diamanten und anderen Bodenschätzen ist Afrika weit ärmer als vor dem Rückzug der Kolonialmächte. Kriege und Bürgerkriege, Hungerkatastrophen und Seuchen, Korruption und Misswirtschaft sind traurige Merkmale, die das Bild des zeitgenössischen Afrika prägen. Von seinem Reichtum an Diamanten hatte es keinen Nutzen.


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Niemand weiß genau, wie viele Diamanten in Afrika gefördert wurden und welchen Gewinn der Handel mit ihnen brachte. Nur eines war klar: Während die Förderung der meisten Bodenschätze zurückging, hatte der Diamantenabbau Hochkonjunktur. Das merkte man aber erst nach dem Ende des Kalten Krieges.

Unter dem Druck des Westens, der von den afrikanischen Regimen die Förderung der Demokratisierung und die Privatisierung der Wirtschaft verlangte, wurden die illegalen Geschäfte mit der Ausbeutung von Diamantenfeldern begünstigt. Eine regionale Oligarchie entstand, die sich der offiziellen staatlichen Kontrolle entzog, aber in ihren Bann auch einige führende afrikanische Staatsmänner hineinzog.

Da aber die meisten Diamanten auf westlichen Märkten verkauft werden konnten, mischten sehr bald auch einige dubiose US-amerikanische und europäische Persönlichkeiten mit, wie z. B. Maurice Templesman, der den ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter überzeugte, den ehemaligen Diktator Zaires, Mobutu Sese Seko, darum zu unterstützen, weil dieser der beste Wächter des Reichtums des Staates war; oder Jean-Raymond Boulle, der als Generaldirektor des südafrikanischen De Beers Diamantenkonzerns in Ex-Zaire 1995 die American Mineral Fields gründete, mit dem Ziel, den US-amerikanischen Investoren zu ermöglichen, am Bergbau in Afrika teilzuhaben. Zusammen mit der belgisch-holländischen Firma IDAS-Ressources, die offiziell für die Entfernung von Minen in Angola engagiert wurde, bekam er eine Konzession auf Diamantenfelder im Tal des Flusses Cuango, die so groß sind wie die Schweiz. Um ihre Diamantenfelder besser schützen zu können, vermitteln einige Geschäftsleute wie Anthony Buckingham und Eben Barlow Söldnertruppen an bekannte Diamantenfirmen wie Branch Energy, Branch Mining oder Heritage. Für ihre Dienstleistung in Angola 1993 oder in Sierra Leone 1997 wurden sie mit der Beteiligung an den Diamantenerlösen bezahlt.

Nun hat sich die Ausbeutung von Diamantenfeldern gerade in Sierra Leone als kompromitierend erwiesen. Die Tatsache, daß die Diamantenbergwerke von Kono und Tongofield in die Hände der berüchtigten RUF-Rebellen gefallen sind, die wiederum von den Diktatoren Liberias und Burkina Fasos, Charles Taylor und Blaise Compaoré unterstützt werden, die ihrerseits für die RUF-Rebellen Waffen aus der Ukraine via Lybien besorgen, hat im Westen Aufregung verursacht. Wegen Geldwaschens aus dem Verkauf von "blutigen Diamanten" fürchten sowohl ihre Regierungen als auch der Diamantenrat in Antwerpen die Folgen ihrer moralischen Diskreditierung in der Weltöffentlichkeit, was sie mit ihren Posten bzw. Gewinneinbußen bezahlen könnten. Besonders die britische Regierung ist alarmiert, denn wegen ihrer Verwicklung in Sierra Leone hat die Rolle von "Blutdiamanten" neue Aufmerksamkeit erregt.

Der Skandal mit dem Oryx Diamonds Consortium, gegründet, um dem kongolesischen Präsidenten Laurent Désiré Kabila zu ermöglichen, seine Schulden an Zimbabwe für die militärische Unterstützung zurückzuzahlen, hat Öl ins Feuer gegossen, weil die Firma Oryx an der alternativen Investment-Börse in London eine Plazierung bekommen möchte. London will deshalb auf dem Außenministertreffen der G-8-Staaten im Juli in Japan auf einen "Verhaltenskodex" für den Diamantenhandel drängen.

Der britische Außenminister Robin Cook befürwortete sogar die Einführung eines Embargos auf soganannte "blutige Diamanten". Auch im Kongress in Washington wurde die Haltung gegenüber "blutigen Diamanten" erörtert, und die UNO untersucht die Diamantenhandelswege, in die die UNITA-Rebellenbewegung von Jonas Savimbi in Angola verwickelt ist. Sogar der De Beers Konzern, der eine dominierende Position im internationalen Handelsmarkt hat, überlegt die Einführung eines "Herkunftzeugnisses" für Diamanten, die dem internationalen Markt zum Verkauf angeboten werden.

Doch die Effizienz dieser Maßnahmen ist fragwürdig. Diamanten sind kleine, aber sehr wertvolle Waren, die leicht zu schmuggeln sind, und die Händler kennen bereits tausend und eine Methode, um ihre wahre Herkunft zu verschleiern. Aber auch im Falle, dass es der internationalen Gemeinschaft gelingt, den Schwarzhandel zu unterbrechen, bleibt die Frage offen, in welchem Ausmaß Afrika selbst davon wird profitieren können, denn der Kampf um die afrikanischen Diamantenfelder geht weiter.

Anfang dieses Monates kam eine Delegation der größten russischen Diamantenkonzern ALROSA nach Namibia, sehr zum Missfallen seines südafrikanischen Konkurrenten De Beers, der noch heuer seine Partnerschaft mit Namibia revidieren soll. Und ALROSA hat bereits in Angola Fuß gefasst . . .

Falls sich die Situation nicht bald ändert, wird man nur noch feststellen können, daß die Diamanten Afrika mehr Schaden als Nutzen gebracht haben.