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Elf EU-freundliche Parlamentarier, die Premier Theresa May eine bittere Niederlage zugefügt haben, stehen nun am Pranger.
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London. Einen bitteren Zwist in der britischen Regierungspartei hat die jüngste Entscheidung von elf Tory-Rebellen ausgelöst, dem Parlament in Sachen Brexit-Deal das letzte Wort zuzusprechen. Der Beschluss, der der Regierung am Mittwochabend eine dramatische erste Brexit-Niederlage bescherte, hat zu persönlichen Attacken und sogar zu Ausschluss-Drohungen gegen die "Dissidenten" geführt.
Während die Rebellen ihre Entscheidung als ein "Eintreten für Demokratie und parlamentarische Kontrolle" verteidigten, wurden sie von Parteikollegen beschuldigt, der Regierung in den Rücken gefallen zu sein und den "Volkswillen" zu ignorieren.
Besondere Gehässigkeit zog sich der Koordinator der Rebellen, der frühere Generalstaatsanwalt Dominic Grieve, zu. Er und andere pro-europäische Tories wie Ex-Bildungsministerin Nicky Morgan und Ex-Wirtschaftsstaatssekretärin Anna Soubry wurden von anderen Tories als "Saboteure" beschimpft. Die erboste rechtskonservative Abgeordnete Nadine Dorries forderte sogar die Abwahl der betreffenden Kollegen in ihren Wahlkreisen: Diese, sagte sie, dürften "nie wieder Parlamentarier" sein.
Einer der Rebellen, Stephen Hammond, wurde wenige Minuten nach der Abstimmung seines Parteiamtes enthoben. Er war bis dahin einer der Vize-Generalsekretäre der Konservativen Partei. Grieve, dem heftig angefeindeten "Ringleader" des Aufstands, wurde von den Antieuropäern seiner Partei vorgehalten, er wolle mit seinen "infamen" Manövern in Wirklichkeit nur den Brexit blockieren. Der Ex-Generalstaatsanwalt erklärte dazu, es kümmere ihn wenig, dass nun "die Messer gewetzt" würden: "Es tut mir leid, wenn Kollegen so Schlechtes von mir denken, aber mein Handeln beeinflusst das absolut nicht."
Grieve und die anderen zehn Tories, die sich gegen Theresa Mays "Brexit-Dampfwalze" wehrten, sahen sich am Donnerstag auch auf den Frontseiten von Millionen Zeitungen erbarmungslos an den Pranger gestellt. Der "Daily Telegraph" sprach von "Meuterei im Unterhaus". Er hatte schon vor vier Wochen 15 konservative Hinterbänkler als "Brexit-Meuterer" bezeichnet und sie steckbriefartig in Bildern seinen Lesern vorgehalten. Diese Aktion hatte eine Flut von Hassmails gegen die Betroffenen ausgelöst.
Diesmal stellte das weit rechts operierende Boulevardblatt "Daily Mail" elf Porträtaufnahmen auf die Front, die die endgültigen Teilnehmer der Rebellion in lächelnder Positur zeigten - versehen mit der Überschrift: "Seid ihr stolz auf euch?" Des "Verrats" an der eigenen Führung und an 17 Millionen Brexit-Wählern bezichtigte das Blatt die "selbstsüchtigen Querulanten" im Unterhaus.
Antoinette Sandbach, eine der Angegriffenen, verwies zornig darauf, "dass voriges Jahr bereits eine Unterhaus-Abgeordnete wegen ihrer Überzeugungen von einem übergeschnappten Extremisten ermordet wurde - derart Hass aufzurühren, ist immer gefährlich und bleibt nie folgenlos".
Generell waren sich Beobachter in London darin einig, dass die Entscheidung des Unterhauses, sich das abschließende Wort zu den Brexit-Verhandlungen zu sichern, eine "empfindliche Niederlage" für Premierministerin Theresa May darstellte - zumal am Vorabend eines EU-Gipfels, zu dem auch May wieder in Brüssel erwartet wurde.
Eine zweite Regierungs-Niederlage in London wird nun für kommenden Mittwoch erwartet, wenn die Rebellen um Grieve zusammen mit der Opposition verhindern wollen, dass das vorgesehene Datum für den Austritt Großbritanniens aus der EU - der 29. März 2019 - auf dem Titelblatt des neuen britischen EU-Austrittsgesetzes platziert werden soll. Eine solche zeitliche "Selbstbegrenzung" halten die Kritiker der harten Brexit-Linie der Regierung für ganz und gar unvernünftig. Sie sind der Überzeugung, London müsse sich im ureigenen Interesse die Option offen halten, die EU um Extra-Zeit für Verhandlungen bitten zu können.
Ebenfalls nächste Woche soll das Kabinett unter May auch - erstmals seit dem Brexit-Referendum vor achtzehn Monaten - eine klärende Debatte über das britische "Endziel" beim Brexit führen. Dabei geht es darum, welche Art von Beziehung London zur EU künftig gern hätte.