Niederländische Regierung will teilprivatisieren. | Amsterdam dagegen - Streit wird Wahlkampfthema. | Hilversum. Bereits seit zehn Jahren wird über die Privatisierung des Amsterdamer Flughafens Schiphol diskutiert. Im Sommer schien alles entschieden, als das Parlament in Den Haag mit einer knappen Mehrheit der christdemokratisch-liberalen Koalition grünes Licht für die Teilprivatisierung gab. Der Anteil der öffentlichen Hand sollte auf 51 Prozent sinken. Heute besitzt der Staat 75,8 Prozent, die Stadt Amsterdam 21,8 Prozent und Rotterdam 2,4 Prozent.
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Stadt gegen Staat
Doch die links-grün regierte Stadt Amsterdam machte dem Vorhaben Ende September einen Strich durch die Rechnung. Sie legte ihr Veto gegen die Teilprivatisierung ein - die Statuten des Flughafens berechtigen sie dazu. Der liberale Finanzminister Gerrit Zalm will sich freilich nicht von Amsterdam aufhalten lassen. Er griff zum härtesten Mittel und hob den Entscheid der Stadt per königlicher Verordnung unter Berufung auf "dringende Staatsinteressen" wieder auf. Dagegen wiederum soll die Stadt Berufung einlegen. Aus ihrer Sicht darf der Staat seine Befugnisse gegen die Stadt nicht in einer privatrechtlichen Angelegenheit geltend machen, und um die handle es sich beim Vermögen der Stadt. Umgekehrt wirft der Staat Amsterdam vor, mit dem Veto die Umsetzung eines demokratisch gefällten Parlamentsentscheids zu blockieren.
Das Juristenfutter beschäftigt nun auch die Wähler: Am 22. November wird ein neues Parlament gewählt. Eine dann möglicherweise sozialdemokratisch geführte Regierung wird Amsterdam kaum noch zur Aufgabe des Vetos zwingen wollen. Eine andere Frage ist, wie sinnvoll eine Teilprivatisierung des Flughafens ist. Schiphol ist heute mit 44 Millionen Passagieren pro Jahr der viertgrößte Flughafen Europas, nach London-Heathrow, Charles de Gaulle bei Paris und Frankfurt. Beim Frachtverkehr ist Schiphol sogar die Nummer drei.
Ein Börsengang soll helfen, die Effizienz und damit die Konkurrenzfähigkeit des Flughafens zu steigern. Aus der Sicht der Schiphol-Direktion würde damit die Rolle des Flughafens als "unverzichtbares Element für ein konkurrenzfähiges Land" gestärkt. Immerhin sind in der Region 60000 Mitarbeiter direkt und noch mal so viele indirekt am Flughafen beschäftigt.
Angst vor Gebühren
Amsterdam lehnt die Teilprivatisierung ab, weil sie um die Knotenfunktion Schiphols im internationalen Luftverkehr fürchtet. Der privatisierte Flughafen würde sich auf die profitablen Geschäfte Kasino und Immobilienvermietung konzentrieren. Dabei weiß die Stadt auch die Fluggesellschaften auf ihrer Seite. Diese befürchten höhere Gebühren für den Fall der Privatisierung. Jaap de Wit, Experte für Luftverkehrswirtschaft, lehnt beide Befürchtungen ab. Fluggesellschaften sorgen sich um immer höhere Gebühren, aber das sei kein Argument gegen eine Privatisierung. Und seine Funktion als Knotenpunkt werde auch ein privatisierter Schiphol nicht verlieren. "Sonst hätten auch alle anderen privatisierten Flughäfen ihre Funktion als Knotenpunkt verlieren müssen, und das ist nicht der Fall."
Voll- oder teilprivatisiert
Doch auch de Wit sieht das Vorhaben der Regierung kritisch. Internationale Untersuchungen hätten ergeben, dass sowohl öffentliche Flughäfen - vor allem in den USA - sowie voll privatisierte effizient arbeiten könnten. Teilprivatisierte Flughäfen schnitten schlechter ab. Und eine solche Teilprivatisierung strebt die Regierung an.
Die links-grüne Stadtregierung in Amsterdam fürchtet, dass Schiphol in die Hände von "Heuschrecken" fallen könnte, von Finanzinvestoren, die den Flughafen aussaugen wollen. Meinungsumfragen ergeben, dass eine Mehrheit der Niederländer ihrer Hauptstadt folgt.