Psychische Widerstandskraft lässt sich trainieren.
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Wien. Das Phänomen Burn-out nimmt in unserer Arbeitswelt mittlerweile epidemische Ausmaße an. Für Gesundheitsexperten, aber auch für Unternehmen stellt sich daher die Frage, warum manche Mitarbeiter Stress und Arbeitsdruck erfolgreich bewältigen, während andere daran zerbrechen. Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung, der Mourlane Management Consultants und der Goethe-Universität in Frankfurt lässt nun mit guten Nachrichten aufhorchen: Die Widerstandsfähigkeit gegen psychische Belastungen kann trainiert werden, und man kann sich so deutlich besser vor Burn-out schützen.
Gesunder Abstand zum Job
Ziel der Untersuchung war es, den Zusammenhang zwischen den drei Variablen Führung, Gesundheit und psychischer Widerstandsfähigkeit (Resilienz) genauer zu untersuchen und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Zentrales Ergebnis: Menschen mit einer hohen Resilienz sind gegen Burn-out besser geschützt. Unter Resilienz versteht man die Fähigkeit, mit Rückschlägen, Veränderungen, Ungewissheit und Druck positiv umzugehen. "Diese Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen gesunden Abstand zum Job haben, ihre Arbeit aber trotzdem mit großer Gewissenhaftigkeit erledigen, sich mit anderen Menschen besser verstehen, neugieriger sind und von anderen als emotional stabiler wahrgenommen werden", sagen die Experten der Bertelsmann-Stiftung. Menschen mit dickem Fell sind demnach weniger gefährdet, unter Burn-out-Symptomen und psychosomatischen Beschwerden wie zum Beispiel Rückenschmerzen zu leiden.
"Wir haben entsprechend starke Hinweise darauf, dass es sich bei der Resilienz einer Person um einen protektiven Faktor gegen Burn-out und weitere psychosomatische Beschwerden handelt", heißt es in der Studie. Hoch-resiliente Menschen seien außerdem weniger anfällig dafür, an neurotischen Störungen zu erkranken und werden deshalb als emotional stabil wahrgenommen.
Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt Unternehmen nun dringend, im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements künftig auch Resilienz-Trainings anzubieten, um so die psychologische Widerstandsfähigkeit der Mitarbeiter zu stärken: "Das Resilienz-Training ergänzt eher körperbezogene Maßnahmen, wie Sportangebote, Rückenschulungen, Entspannungskurse oder Raucherentwöhnungen."
Und tatsächlich lässt sich psychische Widerstandskraft auch noch im Erwachsenenalter trainieren. So hat die American Psychological Association einen Zehn-Punkte-Plan zur Stärkung der seelischen Widerstandskraft entwickelt. Zu den wichtigsten Lektionen für künftige Stehaufmännchen zählen unter anderem: - der Aufbau sozialer Kontakte,
- Krisen nicht als unlösbare Probleme zu betrachten,
- ein positives Selbstwertgefühl zu entwickeln,
- zielorientiert und entschlossen zu handeln
- und eine optimistische Lebenshaltung zu pflegen.
Chefs halten mehr aus
"Folgt man den Ergebnissen der Studie, sollten Trainings, die die Resilienz steigern, bald zum Standardangebot des betrieblichen Gesundheitsmanagements in den Betrieben gehören", bringt es Detlef Hollmann, Projekt-Manager der Bertelsmann-Stiftung, auf den Punkt. "Davon können dann sowohl Mitarbeiter und Führungskräfte als auch Unternehmen profitieren."
Während die Studie keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern bezüglich ihrer Resilienzfähigkeit feststellen konnte, wiesen Führungskräfte eine signifikant höhere Resilienz auf als ihre Mitarbeiter. "Wie psychisch widerstandsfähig ein Mensch ist, hat also auch Einfluss darauf, wie viel beruflichen Erfolg er hat", lautet eine weitere zentrale Erkenntnis. Führungskräfte können ihre Emotionen besser steuern, sind disziplinierter, empathischer, setzen sich stets aufs Neue herausfordernde Ziele und glauben häufiger an ihre Fähigkeiten.
Chefs können aber auch die Widerstandsfähigkeit ihrer Mitarbeiter steigern, indem sie diesen einerseits Orientierung geben und andererseits Kontrolle über deren jeweiligen Arbeitsbereich zugestehen.
"Da die Qualität von Führungskräften Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens hat, wird die Resilienz von Mitarbeitern bei der Auswahl von Führungskräften künftig eine stärkere Rolle spielen", lautet das Fazit der Studie. "Der Faktor Resilienz dürfte aufgrund der steigenden Dynamik und Komplexität der Wirtschaftswelt in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen."