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Begegnungen mit der Realität sind immer dann unangenehm, wenn man sich die Zukunft allzu rosig ausgemalt hat. Im Fall der Nationalmannschaft war es das unbestreitbare Talent einiger österreichischer Kicker, das die Öffentlichkeit nach Jahren wieder schwelgen ließ. Und natürlich hatte auch Teamchef Didi Constantini einen Anteil daran.
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Er hat diese Spieler nicht nur ins Nationalteam geholt und sie auch eingesetzt, er hat dem jungen Kollektiv auch die Freiheit gegeben, sich als Mannschaft neu zu definieren. Ob bewusst oder unbewusst ist da gar nicht einmal so wichtig, in diesem Fall zählt das Resultat. Und es hat sich durchaus etwas entwickelt in Constantinis bisheriger Amtszeit.
Die heutige Nationalmannschaft verkörpert fast diametral andere Eigenschaften, als man dies von der ÖFB-Equipe der vergangenen zwei Jahrzehnte gewohnt war. Spieler wie Junuzovic, Kavlak, Arnautovic und Alaba wollen offensiv spielen, laufstark, ideenreich, mitunter trickreich und voller Leidenschaft. Selbst die erfolgreiche 98er-Mannschaft, die es als bisher letzte zu einer WM geschafft hat, konnte man nicht wirklich mit diesen Eigenschaften assoziieren.
Constantinis Vorgänger Karel Brückner war noch auf die Idee gekommen, der Nationalelf ein auf Passivität beruhendes Defensivkonzept zu verpassen, obwohl schon die Euro 2008 gezeigt hatte, dass die Spieler initiativ agieren wollen. Es war also keine Überraschung, dass der Versuch mit Brückner scheiterte, abgesehen von dessen gesundheitlichen Problemen.
Vermutlich wäre es danach gar nicht notwendig gewesen, personell so gut wie alles im Nationalteam über den Haufen zu hauen, wie es Constantini gleich tat, und es schadete sicher auch der Stabilität der ÖFB-Elf, die durchschnittlich 1,7 Tore pro Partie kassiert. Das ist nicht wenig.
Doch auf der anderen Seite entstand durch diesen kompletten Neuanfang eine Dynamik, die sehr viel Positives brachte, eben auch dieses neue Selbstbild der Nationalmannschaft.
Irgendwann ist das allein zu wenig, das zeigten die beiden jüngsten Qualifikationsspiele. Als die Mannschaft einen Plan brauchte, hatte sie keinen. Als ihr das eigene Selbstvertrauen durch die Decke ging, holte sie niemand auf den Boden zurück. Das erledigten dann erst die Belgier.
Von ihren Klubs sind viele Spieler, gerade die Legionäre, mittlerweile eine gänzlich andere, weitaus professionellere Betreuung gewöhnt. Im Nationalteam erleben sie dann eine Art Kulturschock. Das ist eben die andere Seite der Freiheit. Zuviel davon ist nicht gerade erfolgsfördernd, vor allem bei einer so jungen Mannschaft, die nicht mit viel Erfahrung gesegnet ist.
Die Spieler erwarten heutzutage von Trainern, dass diese alle Möglichkeiten ausschöpfen, sie bestmöglich auf ein Spiel vorzubereiten. Im Nationalteam bleiben aber zu oft zu viele Fragen offen. So zeigt das Trainerteam bei der Videoanalyse des Gegners nicht ausgewählte Ausschnitte mehrerer Spiele, sondern meistens nur die erste Hälfte einer einzigen Partie.
Wenn Constantini die Zeichen der Zeit nicht erkennt - wie es sein Vorgänger Josef Hickersberger getan hatte -, wenn er nicht mehrere Schritte in Richtung Modernität geht, kann er der
Nationalmannschaft nicht mehr viel geben.