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Die Abgeordneten Gottes

Von Christoph Rella

Politik
Die Richtung der Kirche gibt zwar Rom vor, die Pfarrgemeinderäte dürfen lokal aber mitreden.
© © www.bilderbox.com

Am 18. März wählen Österreichs Katholiken ihre Pfarrgemeinderäte.


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Wien/Linz. Es ist ein Wahlaufruf der ungewohnten Art, den da die katholische Kirche erst vor wenigen Wochen auf dem Internetportal "Youtube" platziert hat. Ihre Gläubigen - rund 4,5 Millionen Wahlberechtigte - sollen auf die Pfarrgemeinderatswahlen am 18. März in allen österreichischen Pfarren aufmerksam gemacht werden. Und auf das, was in den vergangenen fünf Jahren, seit den letzten Pfarrgemeinderatswahlen im Frühjahr 2007, geleistet wurde. Angefangen bei der Caritasarbeit über die Feier kirchlicher Feste bis hin zur Kunst und Kultur werden in dem Video mit dem Titel "Oba sunst" alle Register der PR gezogen.

Die mediale Offensive so kurz vor den Pfarrgemeinderatswahlen hat einen guten Grund: Mit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle hatte die katholische Kirche in den vergangenen Jahren einen erheblichen Imageverlust erlitten. Zu spüren bekommen haben das auch die Priester und ehrenamtlichen Mitarbeiter an der Basis, wobei so manche Pfarrgemeinde bereits Schwierigkeiten hatte, geeignete Kandidaten für die Wahl zu finden. Aktuell liegt deren Durchschnittsalter zwischen 40 und 50 Jahren. Junge sind rar gesät. Hinzu kommt die niedrige Wahlbeteiligung von zuletzt 20,1 Prozent.

Aufstieg in den Vikariatsrat als Karrierechance

Derzeit gibt es in Österreich insgesamt rund 30.000 Pfarrgemeinderäte, wobei hier die Frauen mit einem Anteil von 54 Prozent die Mehrheit stellen. In den Diözesen beobachtet man die Entwicklung mit Genugtuung. "Unsere Frauen tragen das Leben in den Pfarrgemeinden mit und engagieren sich unter anderem in der Kinder- und Jugendarbeit", sagt Hans Putz, zuständiger Referatsleiter in der Diözese Linz, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Für ihn ist der Pfarrgemeinderat auch ein "Kommunikationsorgan zwischen Amt und Volk Gottes", wo es nicht darum geht, Kirchenbudgets abzunicken, sondern aktuelle Probleme anzusprechen und zu lösen. Und wenn der Pfarrer das nicht will? "Dann kann man ihm als Pfarrgemeinderat schon ruhig einmal die Meinung reinsagen", erklärt Putz. "Was drin ist, muss auch raus."

Allerdings den Zölibat abschaffen kann man als Pfarrgemeinderat nicht. Obwohl das nicht wenige prompt tun würden, wie aus einer Umfrage unter 7500 Pfarrgemeinderäten hervorgeht. Tatsächlich quälen die Laien ganz andere Sorgen, wobei der Priestermangel und die sinkende Zahl der Gottesdienstbesucher sowie das Fehlen der Jugend sehr beklagt werden.

Zu jenen Jugendlichen, die sich trotz allem seit Jahren im Pfarrgemeinderat einbringen, zählt der Niederösterreicher Andreas Zinschitz. Und er hat sogar "Karriere" gemacht, wie er erzählt. Im Jahr 2002 wurde der heute 29-Jährige das erste Mal in den Pfarrgemeinderat gewählt. Fünf Jahre darauf erfolgte dann der nächste Sprung, als er von der Dekanatsversammlung als Vertreter in den Vikariatsrat entsandt wurde.

Eberauer Pfarrgemeinderat stimmte gegen Asylzentrum

Auch wenn der Vikariatsrat nicht direkt vom Volk gewählt wird, so handelt es sich auch hier um eine wichtige Kommunikationsschnittstelle zwischen den Pfarrgemeinden und der Diözese, meint Zinschitz. Davon ist auch Hans Putz überzeugt: "Wenn es an der Basis brodelt, können Anliegen bis zum Bischof transportiert werden", erklärt der Diözesanbeamte.

Einen anderen Weg, als auf eine Reaktion aus dem Vatikan zu warten, schlägt der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner den Pfarrgemeinderäten vor. Die Leute seien "wählerischer", die ganze Kirche von einer Staatskirche zu einer Entscheidungskirche geworden, betont er. "Und das ist ja eigentlich der Normalfall." Laut Zulehner ist es Aufgabe des Pfarrgemeinderats, Beispiel für die Menschen zu sein. Und hier herrsche noch Handlungsbedarf, wie etwa die Abstimmung im Pfarrgemeinderat von Eberau über das geplante Asylaufnahmezentrum gezeigt habe. 95 Prozent der Mitglieder stimmten damals dagegen.

Wissen

Der Pfarrgemeinderat ist eine Folge des 2. Vatikanischen Konzils. Das Gremium besteht aus gewählten Frauen und Männern, dem Pfarrer sowie hauptamtlichen Mitarbeitern, die den Priester in Seelsorge und Organisation beraten.

Die ersten Wahlen wurden 1969 in der Erzdiözese Salzburg und in der Diözese Graz-Seckau durchgeführt. Seit 1987 gibt es einen einheitlichen Wahltermin.

Das aktive Wahlrecht ist je nach Pfarre unterschiedlich und liegt bei 14 oder 16 Jahren. Für das passive Wahlrecht gilt ein Alterslimit von 16 Jahren. Eltern dürfen für ihre Kinder wählen.