Die Wirtschaft bewies Anpassungsfähigkeit: Deutschland erwartet heuer ein Mini-Wachstum. Doch noch herrscht Abhängigkeit von russischem Gas.
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Deutschland sagt die Rezession ab: Statt wie befürchtet um 0,4 Prozent zu schrumpfen, dürfte das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) heuer um 0,2 Prozent wachsen. Für Österreichs Wirtschaft sei das grundsätzlich ein günstiges Signal, sagt Josef Baumgartner, Konjunkturexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Überbewerten möchte er es nicht. Natürlich sei Deutschland Österreichs wichtigster Handelspartner, und viele Unternehmen seien Zulieferer, "aber diese enge Verflechtung hat sich schon in den letzten Jahren etwas abgeschwächt, und es ist gelungen, andere Märkte zu erschließen".
Das Wifo rechne für Österreich schon mit einem negativen vierten Quartal (saisonbereinigt gegenüber dem Vorquartal), so Baumgartner. Aber insgesamt seien die Parameter leicht günstiger als bisher erwartet. Das gelte auch für den Ausblick für das erste Quartal.
Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck freute sich am Mittwoch in Berlin, dass es dem Land gelungen sei, "eine schlimme Wirtschaftskrise abzuwehren." Die ökonomische Krise in Folge des Ukraine-Krieges sei "absolut beherrschbar", und die deutsche Wirtschaft habe sich als extrem anpassungsfähig erwiesen.
Alternativen zurussischem Gas
Wie insbesondere von der Industrie befürchtet, wurden die russischen Gaslieferungen in die EU nicht eingestellt, und die Energieversorgung blieb stabil. Dann wurde gehandelt: Innerhalb kurzer Zeit wurden alternative Energiequellen erschlossen, um den Verbrauch von Gas aus Russland zu reduzieren, etwa durch Pipeline-Gas aus Norwegen oder Nordafrika sowie durch Flüssiggasimporte. Kurzfristig habe es sogar ein Überangebot an Flüssiggas gegeben, so Wifo-Experte Baumgartner. Teilweise sei es gelungen, von fossiler Energiebereitstellung auf Strom umzustellen. Besonders gasintensive Produktionen wurden zum Teil in die USA ausgelagert.
"Es gibt aber nach wie vor eine gewisse Abhängigkeit von russischem Gas", betont Baumgartner: "Die ‚low hanging fruits‘ haben wir letztes Jahr lukrieren können. Was relativ rasch und einfach ging, das haben die Unternehmen umgesetzt." Sollte Russland seine Gaslieferungen zur Gänze stoppen, werde es noch einmal schwieriger, dieses Gas zu substituieren. In sehr gasabhängigen Industrien, die sehr hohe Temperaturen brauchen, sei die Gefahr der Abwanderung größer, als sie noch im Vorjahr war.
Die deutschen Gasspeicher sind derzeit zu rund 84 Prozent gefüllt. Zum Vergleich: Am 24. Jänner des vergangenen Jahres waren es 37,8 Prozent. EU-weit liegt der Füllstand zur Zeit bei rund 76 Prozent, in Österreich bei rund 82 Prozent.
Optimistische Exporteure
In der deutschen Industrie steigt unterdessen der Optimismus, was das Auslandsgeschäft betrifft. Die Stimmung unter den Exporteuren hat sich laut der Jänner-Umfrage des Münchner Ifo-Instituts weiter verbessert. Der von den Ökonomen monatlich berechnete Index der Exporterwartungen stieg im Vergleich zum Dezember von 2,0 auf 4,3 Punkte. Der Index basiert auf der monatlichen Befragung von gut 2.300 deutschen Industrieunternehmen.