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Die Abkehr vom Sparwahn

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Ein bisschen seltsam ist es schon. In Europa wird das Spardiktat hochgehalten. Die kriselnden EU-Länder dürfen nicht nachlassen bei der Reduzierung der Staatsverschuldung. Arbeitslosigkeit, sinkende Wirtschaftsleistung - schade, aber leider nicht zu ändern.

In Washington bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds hört sich das plötzlich anders an. Die Austeritätspolitik in Europa werde gelockert, verspricht dort EU-Kommissar Olli Rehn. Denn die großen Wirtschaftsnationen außerhalb Europas machen Druck, dass die EU mehr für das Wirtschaftswachstum tun müsse. Der für das zweite Halbjahr versprochene Aufschwung steht auf überaus wackligen Beinen, in Italien etwa sank die Industrieproduktion schon im 14. Monat in Folge. Besserung ist nicht in Sicht. Frankreich schwächelt vor sich hin, Großbritannien kommt auch nicht so recht auf die Beine.

Schön, dass die EU nun auf internationalen Druck hin draufkommt, dass es mit Sparen alleine nicht getan ist. Die Bildungs- und Forschungsausgaben zu erhöhen ist wichtig, doch ein mittelfristiges Konzept. Kurzfristig hilft nur der Griff in die Staatskasse oder die deutliche Ausweitung privatwirtschaftlicher Investitionen. Da die Skepsis in den Unternehmen aber groß ist, spielt es das nicht.

Es liegt an der Politik, hier wieder für bessere Stimmung zu sorgen, diese Forderung der Industrie erfolgt zu Recht. Es liegt aber auch an (vielen, nicht allen) Unternehmen, ihre üppige Dividendenpolitik zu überdenken. Gewinne zu investieren, statt sie auszuschütten, wäre auch ein probates Mittel, das inexistente Wachstum in Europa zu stimulieren.

Vielleicht machen Länder wie die USA, Brasilien, China und Japan den Europäern auch dies klar bei der Tagung des Währungsfonds. Auf alle Fälle wäre es fein, wenn die EU-Kommission ihren Worten von Washington in Europa Taten folgen lässt. Die Sparziele müssen deutlich nach hinten gestreckt werden. Was haben Länder wie Österreich oder Deutschland davon, wenn sie 2016 einen ausgeglichenen Haushalt haben, aber am Weg dorthin die anderen Absatzmärkte in Europa weggebrochen sind?

Spätestens dann würde in den jetzt stabilen Ländern Europas ein massives "deficit spending" beginnen müssen, und die ganze Austeritätsübung würde sich als sinnlos herausstellen.